Potenziell lebensfreundlich: Astronomen haben zwei weitere Supererden in rund 100 Lichtjahren Entfernung entdeckt. Die beiden Gesteinsplaneten sind ein wenig größer als die Erde und umkreisen einen sehr kühlen Zwergstern. Eine dieser Supererden liegt in der habitablen Zone dieses Sterns und könnte daher flüssiges Wasser und lebensfreundliche Bedingungen bieten. Ob das der Fall ist, soll in naher Zukunft das James-Webb-Teleskop überprüfen.
In unserer näheren kosmischen Nachbarschaft wimmelt es geradezu von Exoplaneten: Unser nächster Nachbarstern Proxima Centauri wird von zwei Exoplaneten umkreist, der 40 Lichtjahre entfernte Rote Zwergstern TRAPPIST-1 hat sogar gleich sieben erdähnliche Trabanten. Viele Welten im Umkreis von rund 100 Lichtjahren könnten zudem lebensfreundlich sein – sie kreisen in der habitablen Zone ihrer Sterne. Zwar sind interstellare Reisen bisher unmöglich, aber solche nahen Erdzwillinge bieten auch die Chance, dass auf ihnen außerirdisches Leben gefunden werden kann.
Verdächtige Abschattung
Einen weiteren Zuwachs im „Zoo“ der nahen Exoplaneten vermelden nun Astronomen um Laetitia Delrez von der Universität Liége in Belgien. Für ihre Studie hatten sie den kleinen, sehr kühlen Zwergstern TOI-4306 näher untersucht, der etwa 100 Lichtjahre von der Erde entfernt liegt. Bereits im Jahr 2021 hatte das NASA-Weltraumteleskop TESS bei diesem auch als LP 890-9 bekannten Stern eine regelmäßige Abschattung gezeigt – und damit ein mögliches Indiz für die Präsenz eines Exoplaneten.
„Eine Folgeuntersuchung mit bodengebundenen Teleskopen ist jedoch oft notwendig, um zu bestätigen, dass es sich bei den entdeckten Kandidaten tatsächlich um Planeten handelt, und um mehr über ihre Eigenschaften zu erfahren“, erklärt Delrez. „Diese Folgebeobachtung ist besonders wichtig bei relativ kalten Sternen wie TOI-4306, die den größten Teil ihres Lichts im nahen Infrarotbereich emittieren, und für die TESS eine eher begrenzte Empfindlichkeit hat.“
Zwei Supererden statt nur einer
Die Astronomen haben den Stern TOI-4306 daher noch einmal mit den Teleskopen des SPECULOOS-Konsortiums ins Visier genommen. Diese in Chile und auf Teneriffa stationierten Teleskope arbeiten vor allem im nahen Infrarotbereich und damit in den Wellenlängen, in denen kühle Sterne und ihre Planeten besonders gut zu beobachten sind. „Das Ziel von SPECULOOS ist die Suche nach potenziell lebensfreundlichen Gesteinsplaneten um die kleinsten und kühlsten Sterne im Umfeld unserer Sonne“, erklärt Michael Gillon von der Universität Liége.
Die neuen Beobachtungen enthüllten, dass der Zwergstern TOI-4306 nicht nur einen, sondern gleich zwei Planeten besitzt. Bei beiden handelt es sich um Supererden – Gesteinswelten, die etwas schwerer und größer sind als unser Heimatplanet. Der erste, schon von TESS entdeckte Planet, TOI-4306b, ist rund 30 Prozent größer als die Erde und umkreist den Stern auf einer engen, nur 2,7 Tage dauernden Umlaufbahn. Er ist daher zu heiß, um lebensfreundlich zu sein.
Potenziell lebensfreundlich mit flüssigem Wasser
Anders sieht dies mit dem zweiten Exoplaneten in diesem System aus: TOI-4306c ist etwa 40 Prozent größer als die Erde und benötigt für einen Umlauf um seinen Mutterstern rund 8,5 Tage. „Damit ist dieser Planet seinem Stern zwar zehnmal näher als der Merkur der Sonne“, erklärt Delrez‘ Kollege Francisco Pozuelos. „Aber TOI-4306 ist 6,5-mal kleiner als die Sonne und nur halb so heiß.“ Die Supererde TOI-4306c bekommt dadurch etwa genauso viel Strahlung wie die Erde und liegt in der habitablen Zone ihres Sterns.
Die äußere der beiden neuentdeckten Supererden könnte demnach eine weitere lebensfreundliche Welt in unserer näheren kosmischen Umgebung sein. „Aber wir sollten nicht zu voreilig sein. Der richtige Standort garantiert noch keinen Palmenstrand“, betont Koautor Robert Wells von der Universität Bern. „Unser Nachbarplanet Venus befindet sich auch in der Nähe der sogenannten bewohnbaren Zone um die Sonne und ist trotzdem ein CO2-reicher Schnellkochtopf mit einer Temperatur von fast 500 Grad.“
Auf die Atmosphäre kommt es an
Wie lebensfreundlich der Planet TOI-4306c tatsächlich ist, hängt unter anderem vom Vorhandensein und der Zusammensetzung einer möglichen Atmosphäre ab: „Um beantworten zu können, ob dieser Planet tatsächlich flüssiges Oberflächenwasser enthalten kann oder nicht, müssen wir mehr über ihn erfahren“, erklärt Wells. Die nötigen Daten dazu soll nun das James-Webb-Teleskop liefern, dessen Nahinfrarot-Spektrograf NIRISS besonders dafür ausgelegt ist, die Atmosphären von Exoplaneten anhand ihres Lichtspektrums zu analysieren.
Unter den potenziell lebensfreundlichen Gesteinsplaneten in unserer näheren Umgebung ist die neu entdeckte Supererde TOI-4306c nach den sieben Planeten des TRAPPIST-1-Systems und dem gerade erst entdeckten potenziellen Wasserplaneten TOI-1452b eines der lohnendsten Ziele für eine solche Untersuchung mit dem Webb-Teleskop. „Die Entdeckung der Supererde TOI-4306c bietet uns eine einzigartige Gelegenheit, mehr über die Bedingungen um die kleinsten und kühlsten Sterne in unserer Nachbarschaft zu erfahren“, sagt Delrez. (Astronomy & Astrophysics, 2022; doi: 10.1051/0004-6361/202244041)
Quelle: SPECULOOS, Universität Bern