Lunarer Horchposten: Astronomen werden in naher Zukunft erstmals ein Radioteleskop auf der Rückseite des Mondes installieren. Abgeschirmt von irdischen Störungen sollen die hochsensiblen Radioantennen von LuSEE-Night dort die schwachen Signale aus dem Dunklen Zeitalter des Kosmos einfangen – der Ära vor der Entstehung der ersten Sterne. Das Teleskop wird zurzeit in den USA konstruiert und soll im Jahr 2025 mit einer Landesonde auf der lunaren Rückseite abgesetzt werden.
Die Rückseite des Mondes gilt schon lange als idealer Ort für hochsensible Teleskope. Denn anders als die Erde hat der Erdtrabant keine störende Atmosphäre, die bestimmte Strahlenanteile schluckt und zu Verzerrungen führt. Weil der Mond uns in gebundener Rotation umkreist, ist seine Rückseite dauerhaft von der Erde abgewandt. Dadurch ist sie gegenüber störenden Radioemissionen unserer irdischen Technologien gut abgeschirmt. Während der 14-tägigen Mondnacht herrscht sowohl Dunkelheit als auch Radiostille – ideal für die Astronomie.
Extreme Bedingungen
Doch es gibt einen Haken: „Der Mond ist zwar leichter zu erreichen als der Mars, aber alles andere ist eine echte Herausforderung“, erklärt Paul O’Connor vom Brookhaven National Laboratory (BNL). „Es hat schon seinen Grund, dass in den letzten 50 Jahren erst ein robotischer Rover auf dem Mond gelandet ist, während es auf dem 100-mal weiter entfernten Mars schon sechs Rover gegeben hat.“ Ein Hauptproblem sind die harschen Bedingungen: Weil eine Atmosphäre fehlt, ist die Mondoberfläche intensiver kosmischer Strahlung ausgesetzt, die sensible Elektronik schädigen kann.
Außerdem wechseln die Temperaturen im Zweiwochentakt zwischen plus 120 Grad während des lunaren Tages und minus 173 Grad in der Mondnacht. Teleskope und wissenschaftliche Instrumente müssen diesen extremen Schwankungen standhalten. Ein drittes Problem ist die Lage: Zwar ist die abgewandte Seite des Mondes günstig für ungestörte astronomische Beobachtungen, sie erschwert aber die Datenübertragung und Kommunikation. Erst seitdem es Raumsonden im Mondorbit gibt, die als Relaisstationen fungieren können, ist ein Funkkontakt mit Landesonden und anderen menschengemachten Instrumenten möglich.
LuSEE-Night: Ein Radioteleskop auf dem Mond
Doch all diese Schwierigkeiten soll nun das Projekt LuSEE-Night (Lunar Surface Electromagnetics Experiment-Night) überwinden. Die NASA und ein Team von Wissenschaftlern der US-Nationallaboratorien planen, schon in naher Zukunft ein erstes Radioteleskop auf die Mondrückseite zu bringen. Einen Prototypen hat das Team bereits erfolgreich konstruiert und getestet. „LuSEE-Night ist kein Standard-Radioteleskop, es ist eher eine Art Radioempfänger“, erklärt Anže Slosar vom BNL. „Das Teleskop wird Signale in der Nähe des Ultrakurzwellen-Bands einfangen und sie mithilfe eines Spektrometers in seine Frequenzen auftrennen.“
Das LuSEE-Night-Radioteleskop besteht aus vier rund drei Meter langen Antennen, die auf einem drehbaren Sockel angebracht sind. Nachdem das Teleskop von einer Sonde des kommerziellen NASA-Mondprogramms auf der lunaren Oberfläche abgesetzt wurde, werden die Antennen ausgeklappt. Strom erhalten die Instrumente während des Mondtages über Solarzellen, in der Mondnacht durch Batterien. „LuSEE-Night wird aber nur während der kalten Temperaturen der lunaren Nacht arbeiten“, erklärt Joel Kearns von der NASA.
Eine Landestelle für LuSEE-Night wurde bereits ausgewählt: Das Teleskop soll auf 23 Grad südlicher Breite und 176 Gad östlicher Länge auf einem Plateau installiert werden.
Erster Blick ins Dunkle Zeitalter des Kosmos
Das wissenschaftliche Ziel der Mission ist ehrgeizig: LuSEE-Night soll erstmals die schwachen Signale aus dem Dunklen Zeitalter des frühen Kosmos einfangen. Diese Ära begann rund 380.000 Jahre nach dem Urknall mit der Bildung der ersten Atome und der Freisetzung der kosmischen Hintergrundstrahlung. Sie endete mit der Entstehung der ersten Sterne und dem Beginn der kosmischen Morgendämmerung rund 300 Millionen Jahre nach dem Urknall.
Bisher ist das Dunkle Zeitalter eine unerforschte Ära der kosmischen Entwicklung, denn selbst leistungsfähige Teleskope wie das James-Webb-Teleskop oder irdische Radioteleskope können nur bis in die Zeit der ersten Galaxien zurückschauen. „Die Messung ist sehr schwierig, denn die Radioemission unserer Galaxie ist ziemlich hell und das Signal der Dunklen Ära verbirgt sich dahinter“, erklärt Slosar. Die radiostille Rückseite des Mondes und das sensible Radiospektrometer von LuSEE-Night könnten diese schwachen Emissionen aber identifizieren.
„Nie zuvor gesehene Signale“
Die Astronomen erhoffen sich von den Daten des LuSEE-Night-Teleskops wertvolle Erkenntnisse über das Zeitalter, das die Voraussetzungen für die Bildung der ersten Sterne und Galaxien schuf. „LuSEE-Night könnte es uns erstmals ermöglichen, die noch nie zuvor gesehenen Signale der Dunklen Ära zu beobachten“, erklärt Asmeret Asefaw Berhe vom Wissenschaftsdirektorat des US-Department of Energy (DOE). „Wir legen jetzt den Grundstein für die Erkundung des Dunklen Zeitalters in den kommenden Dekaden.“
Die Daten von der Rückseite des Mondes könnten dazu beitragen, die Modelle der kosmischen Entwicklung zu überprüfen und zu vervollständigen. „Bisher können wir nur vermuten, was in diesen frühen Stadien des Universums passierte“, sagt Slosar. „Das Signal des Dunklen Zeitalters könnte uns hier neue Referenzdaten liefern. Und wenn diese Daten nicht zu unseren theoretischen Modellen passen, dann könnte wir sogar Hinweise auf eine neue Physik jenseits des Standardmodells entdecken.“
Wann genau LuSEE-Night zum Mond gebracht wird, teilten NASA und DOE noch nicht mit. Anvisiert ist aber eine Mission im späten Jahr 2025. Auf dem Mond angekommen, soll LuSEE-Night mindestens zwei Jahre lang astronomische Daten sammeln. Parallel dazu gilt die Mission als Testfall für ein größeres Nachfolgeteleskop. Dieses könnte dann als Schüssel in einem der lunaren Krater gebaut werden.
Quelle: NASA, Brookhaven National Laboratory