Astronomie

Heiße Sandwolken auf einem planetarem Grenzgänger

James-Webb-Teleskop detektiert Silikatstaub und sechs weitere Moleküle auf nahem Himmelskörper

VHS 1256 b
Das rund 40 Lichtjahre entfernte Objekt VHS 1256 b ist entweder ein großer, heißer Gasriese oder ein kleiner Brauner Zwerg. In jedem Fall gibt es in seiner Gashülle Wolken aus Silikatstaub (Illustration). © NASA/ESA/CSA, Joseph Olmsted (STScI)

Spannender Fund: Astronomen haben Silikatwolken und sechs weitere Molekülsorten in der Atmosphäre eines planetaren Objekts nachgewiesen. Die Wolken aus heißem Staub und Sand schweben in der Gashülle des rund 40 Lichtjahre entfernten Himmelskörpers VHS 1256b – einem Grenzgänger zwischen Exoplanet und Braunem Zwerg. Die hochaufgelösten Infrarotspektren des James-Webb-Teleskops detektierten die größte Zahl von Molekülen, die je auf einem Exoplaneten nachgewiesen wurden.

Im All gibt es einige Objekte, die genau auf der Grenze zwischen einem großen Gasplaneten und einem Braunen Zwerg liegen. Sie sind nicht massereich und heiß genug für einen echten Stern. Mit rund 13 Jupitermassen und oft relativ hohen Temperaturen sind sie aber zu schwer und heiß, um als „normaler Planet “ durchzugehen. Bei einem dieser substellaren Grenzgänger haben Astronomen kürzlich zudem eine Deuteriumfusion nachgewiesen – ein eigentlich für Braune Zwerge typisches Merkmal.

Spektrum
Infrarotspektrum von VHS 1256 b, aufgenommen mit den JWST-Spektrografen NIRSpec und MIRI in einem Wellenlängenbereich zwischen 1 und 18 Mikrometer © NASA/ESA/CSA, Joseph Olmsted (STScI)

Spektraler Blick auf nahen Himmelskörper

Jetzt haben Astronomen einen dieser Grenzgänger näher ins Visier genommen – mit den hochauflösenden Infrarotoptiken des James-Webb-Weltraumteleskops. Beobachtungsobjekt war der rund 40 Lichtjahre von uns entfernte Himmelskörper VHS 1256 b – ein substellares Objekt, das in einem weiten Orbit um zwei Zentralsterne kreist. „VHS 1256 b ist etwa viermal weiter von seinen Sternen entfernt als Pluto von unserer Sonne, was ihn zu einem großartigen Ziel für das JWST macht“, sagt Erstautorin Brittany Miles von der University of Arizona.

Wegen des großen Abstands von seinen Sternen konnten die Astronomen die von VHS 1256 b ausgehende Infrarotstrahlung direkt mit dem Teleskop erfassen. Weil der Himmelskörper mit rund 150 Millionen Jahren noch relativ jung ist, gibt er relativ viel Wärmestrahlung ab. Diese Strahlung wurde vom Near-Infrared Spectrograph (NIRSpec) und dem Mid-Infrared Instrument (MIRI) in seine spektralen Komponenten zerlegt und auf Signaturen von Elementen und Molekülen hin untersucht.

Umfassendstes Spektrum eines Himmelskörpers

Die Beobachtungen lieferten das breiteste und klarste Spektrum, das je von einem Exoplaneten oder Braunen Zwerg erstellt wurde. „Im Spektrum zeigen sich Absorptionslinien von Methan, Wasser, Kohlenmonoxid, Kohlendioxid, Natrium und Kalium“, berichten Miles und ihre Kollegen. Dies ist die höchste Zahl von Molekülen, die je im Spektrum eines Exoplaneten oder Braunen Zwergs nachgewiesen wurde. Verschiedene Spektrallinien des Wassers und des Kohlenmonoxids deuten zudem darauf hin, dass diese Gase in verschiedenen Höhenlagen der Atmosphäre von VHS 1256 b vorkommen.

„Kein anderes Teleskop hat so viele Merkmale auf einmal bei einem einzigen Himmelskörper nachgewiesen“, sagt Koautor Andrew Skemer von der University of California in Santa Cruz. Das Spektrum enthüllt zudem, dass es in der Atmosphäre turbulent zugeht und dass die Moleküle nicht überall gleich verteilt sind. „Diese Molekülspektren verraten uns einiges über die dynamischen Wetter- und Wolkensysteme auf diesem Planeten“, so Skemer.

Wolken aus Silikatstaub und Sandkörnchen

Eine weitere Besonderheit: Die Gashülle von VHS 1256 b weist stärkere regionale Schwankungen auf als die jedes anderen bisher untersuchten Braunen Zwergs. Besonders deutlich treten diese in einer weiteren vom Webb-Teleskop entdeckten Molekülsignatur zutage: Silikaten. Den Analysen zufolge gibt es demnach in der Atmosphäre von VHS 1256 b ausgedehnte Wolken aus Quartz, Silikat/Enstatit und Eisen. Sie bilden eine Mischung aus feineren und gröberen Sandkörnchen.

„Die feineren Silikatkörnchen könnten feinen Staubpartikeln wie im Rauch ähneln“, erklärt Koautorin Beth Biller von der University of Edinburgh. „Die größeren Körnchen ähneln dagegen eher sehr heißen, kleinen Sandkörnchen.“ Die Staubwolken werden durch die Turbulenzen und Konvektionsströme in der Gashülle des Himmelskörpers aufgewirbelt und steigen vermutlich auch auf und ab.

„Erst der Anfang“

„Aber um besser zu verstehen, welche Korngrößen und -formen zu bestimmten Wolkentypen passen, ist noch viel zusätzliche Arbeit nötig“, sagt Koautorin Elisabeth Matthews vom Max-Planck-Institut für Astronomie (MPIA) in Heidelberg. „Dies ist noch nicht das letzte Wort zu diesem Planeten – wir stehen erst am Anfang einer groß angelegten Modellierungsarbeit, um die komplexen Daten des James-Webb-Teleskops zu verstehen.“ (The Astrophysical Journal Letters, 2023; doi: 10.48550/arXiv.2209.00620)

Quelle: Space Telescope Science Institute, Max-Planck-Institut für Astronomie

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