Geowissen

Ozeanzirkulation: Südliche Umwälzpumpe schwächelt

Antarktische Tiefenströmung könnte sich bis 2050 um gut 40 Prozent abschwächen

Meeresströmungen
Die globale Ozeanzirkulation wird von mehreren großen Umwälzpumpen angetrieben, eine davon liegt vor den Küsten der Antarktis – und schwächt sich allmählich ab. © Brisbane/ CC-by-sa 3.0

Alarmierender Trend: Eine für die globale Meereszirkulation entscheidende Tiefenströmung im Südozean wird langsamer – und könnte sich schon bis 2050 um gut 40 Prozent abschwächen, wie Analysen enthüllen. Demnach bremst der Klimawandel diesen südlichen Motor der weltweiten Meeresströmungen sogar noch stärker als die Umwälzpumpe im Nordatlantik. Für die Weltmeere, das globale Klima und die marinen Stoffkreisläufe hätte dies schwerwiegende Folgen, wie Forschende in „Nature“ berichten.

Die globale Ozeanzirkulation ist für das Klima und die marinen Stoffkreisläufe essenziell. Denn die durch alle Weltmeere laufenden Strömungen transportieren Wärme von der Oberfläche in die Tiefe und bringen an anderer Stelle kaltes, nährstoffreiches Tiefenwasser nach oben. Erst durch diese Umwälzströmungen kann der Ozean als Klimapuffer wirken. Angetrieben wird dieses globale System durch zwei große „Umwälzpumpen“: Eine ist die Atlantische Meridionale Umwälzströmung im Nordatlantik (AMOC), die zweite ist das antarktische Tiefenwasser (AABW).

Schon länger zeigen Messungen und Modelle, dass der nördliche Motor des globalen Strömungssystems stottert: Durch den Einstrom von arktischem Schmelzwasser und die Erwärmung der Meere hat sich die nordatlantische Umwälzströmung deutlich abgeschwächt und könnte sogar kurz vor einem Kipppunkt stehen. Im Extremfall droht sogar ein kompletter Stillstand – mit schwerwiegenden Folgen vor allem für das Klima Europas.

antarktisches Tiefenwasser
Das rund um die Antarktis gebildete antarktische Tiefenwasser (grün) ist eine essenzielle Triebkraft der globalen Meereströmungen.© Hannes Grobe/ Alfred-Wegener-Institut für Polar- und Meeresforschung (AWI), CC-by-sa 2.5

Südlicher Strömungsmotor im Visier

Jetzt enthüllen neue Analysen, dass auch die südliche Umwälzpumpe schwächelt – und dass sie sogar noch anfälliger sein könnte als ihr Pendant im Norden. „Jedes Jahr sinken rund 250 Billionen Tonnen kaltes, salziges und sauerstoffreiches Wasser rund um die Antarktis in die Tiefe“, erklärt Koautor Matthew England von der University of New South Wales in Sydney. „Dieses Wasser fließt dann nordwärts und transportiert Sauerstoff in die Tiefenwasser des Indischen, Pazifischen und Atlantischen Ozeans.“

Doch Messungen zeigen, dass das für diese Umwälzpumpe wichtige antarktische Tiefenwasser in den letzten Jahren und Jahrzehnte immer wärmer geworden ist. Woran dies liegt und welche Folgen dieser Trend in der nahen Zukunft haben könnte, haben England, Erstautor Qian Li vom Massachusetts Institute of Technology (MIT) und ihre Kollegen nun mithilfe von hochauflösenden Ozean-Meereis-Modellen untersucht.

Antarktische Eisschmelze hemmt kalte Tiefenströmung

Das Ergebnis: Schuld an der Erwärmung des antarktischen Tiefenwassers ist das Tauen des antarktischen Eises und die Verschiebung großräumiger Windbänder rund um die Antarktis – beides Faktoren, die durch den Klimawandel ausgelöst wurden. Den Modellierungen zufolge hemmt der vermehrte Einstrom von salzarmem Schmelzwasser das Absinken kalten Wassers in die Tiefe, zudem fehlt das Salz, das sonst beim Gefrieren des Meereieses frei wird.

„Diese verringerte Bildung des atlantischen Tiefenwassers führt zu einer Erwärmung und Alterung des tiefen Ozeans, wie es jüngste Messungen gezeigt haben“, berichten die Forschenden. Dadurch schrumpft das Volumen des kalten Tiefenwassers und die nordwärts gerichtete Tiefenströmung wird schwächer. Diese Abschwächung der südlichen Umwälzpumpe könnte den Simulationen zufolge schon ab den 2030er Jahren messbar werden. „Damit zeigt unsere Studie, dass das Abschmelzen der Eisflächen dramatische Auswirkungen auf eine für das globale Klima wichtige Umwälzströmung hat“, sagt Seniorautorin Adele Morrison von der Australian National University in Canberra.

AABW-Verteilung
Das kalte antarktische Tiefenwasser (AABW) strömt weit in den Pazifik, Atlantik und Indischen Ozean hinein. © Pimvantend/ CC-by-sa 3.0

Drastische Abschwächung schon bis 2050

Geht der Klimawandel so weiter wie bisher, hätte dies verheerende Folgen: „Wenn die globalen CO2-Emissionen sich im aktuellen Ausmaß fortsetzen, dann wird sich die antarktische Umwälzströmung bis zum Jahr 2050 um mehr als 40 Prozent abschwächen“, sagt England. Damit ist dieser südliche Motor der globalen Ozeanzirkulation sogar noch anfälliger als sein nördliches Pendant, die nordatlantische Umwälzströmung. Sie wird sich den Prognosen zufolge bis 2050 um rund 19 Prozent abschwächen.

Setzt sich die Entwicklung auch nach 2050 fort, könnte die antarktische Tiefenströmung sogar ganz aussetzen – die Umwälzpumpe würde kollabieren, wie das Team ermittelte. Wenn dies geschieht, würden die tiefen Wasserschichten der Weltmeere unterhalb von 4.000 Metern Tiefe kaum noch frisches, kaltes Wasser erhalten. „Die Folge wäre eine weitreichende Erwärmung der Tiefenwässer und eine verringerte Durchlüftung der Tiefsee“, erklären die Forschenden. Außerdem würde dies den Nährstofftransport aus der Tiefe in die oberen, reich belebten Zone der Meere stören.

„Die Schwächung der südlichen Umwälzpumpe würde die marine Zirkulation von Wärme, Frischwasser, Sauerstoff, Kohlenstoff und Nährstoffen tiefgreifend verändern“, warnen Li und seine Kollegen. „Die Folgen davon wären im gesamten globalen Ozean noch über Jahrhunderte hinweg zu spüren.“ (Nature, 2023; doi: 10.1038/s41586-023-05762-w)

Quelle: University of New South Wales

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