Verblüffende Entdeckung: Pflanzen sind keineswegs stumm und still – sie geben Laute von sich, wie nun eine Studie enthüllt. Demnach senden Pflanzen Ultraschallsignale mit Frequenzen von 40 bis 80 Kilohertz aus – ein für uns unhörbares Klicken und Ploppen. Diese Laute werden häufiger, wenn die Pflanze unter Stress steht und könnten sogar artspezifisch sein. Eine Blumenwiese oder ein Feld wäre demnach ein ziemlich lauter Ort – zumindest für Tiere, die Ultraschall hören können.
Pflanzen galten bislang als „stumme“ Wesen: Sie kommunizieren nicht über Schall, sondern nur über optische Signale, taktile Reize und chemische Botenstoffe – so jedenfalls dachte man. Tatsächlich setzen Blüten und Blätter vieler Pflanzen Duftstoffe frei, die je nach Situation Bestäuber anlocken oder Nachbarn vor Schädlingen warnen. Sogar Hilfe gegen Raupen und andere gefräßige Insekten können Pflanzen durch ihre Signalstoffe herbeirufen. Sie erzeugen dafür Lockstoffe, die die Feinde ihrer Schädlinge anlocken.
Lauschangriff auf Tomate, Tabak und Co
Doch das ist nicht alles, wie nun Itzhak Khait von der Universität Tel-Aviv und seine Kollegen entdeckt haben: Das Kommunikations-Repertoire der Pflanzen umfasst auch Schall. Anlass für ihre Studie waren Hinweise darauf, dass Pflanzen manchmal Vibrationen erzeugen. Diese entstehen, wenn beispielsweise kleine Luftbläschen in ihrem Leitungssystem platzen. „Die Frage ist aber, ob diese Vibrationen auch zu Schallwellen werden – zu Lauten, die auch aus der Entfernung wahrnehmbar sind“, sagen die Wissenschaftler.
Um das zu testen, stellten Khait und sein Team verschiedene Pflanzenarten zusammen mit hochempfindlichen Ultraschall-Mikrophonen in eine schalldichte Box. Die zehn Zentimeter von der jeweiligen Pflanze entfernten Mikrophone konnten Schall im Bereich von 20 bis 250 Kilohertz aufzeichnen – deutlich über den für uns Menschen hörbaren Frequenzen. Unter den untersuchten Pflanzenarten waren Tomaten, Tabak, Weizen, Mais, Wein, Kakteen und Taubnesseln.
„Bevor wir die Pflanzen in die Box stellten, setzten wir sie verschiedenen Behandlungen aus: Einige waren normal versorgt, andere hatten fünf Tage lang kein Wasser bekommen oder wir schnitten ihren Stängel ein“, berichtet Seniorautorin Lilach Hadany von der Universität Tel-Aviv. „Wir wollten so testen, ob die Pflanzen Laute produzieren und ob diese Laute vom Zustand der Pflanzen beeinflusst werden.“
Knacken und Ploppen im Ultraschall-Bereich
Und tatsächlich: Die Mikrophone zeichneten Laute auf, die nur von den Pflanzen stammen konnten. „Die Pflanzen in unserem Experiment erzeugten Töne im Frequenzbereich zwischen 40 und 80 Kilohertz“, berichten die Forschenden. In zehn Zentimeter Entfernung erreichten diese Signale Lautstärken von bis zu 65 Dezibel. Dies entspricht etwa der Lautstärke beim normalen Sprechen. „Dieser Schall ist laut genug, um noch aus mehreren Meter Entfernung hörbar zu sein“, erklären Khait und seine Kollegen.
Wir Menschen können diese Pflanzenlaute zwar nicht wahrnehmen, weil sie im Ultraschallbereich liegen und daher oberhalb unserer Hörgrenze. Wenn unsere Ohren aber Ultraschall-sensibel wären, würden sich die Pflanzenlaute anhören wie das Knacken einer Luftpolsterfolie oder das Ploppen eines Maiskorns beim Popcorn-Machen. „Auch wenn wir die Pflanzenlaute nicht hören, sind sie für viele Tiere wahrscheinlich vernehmbar, darunter Mäuse, Fledermäuse und Insekten“, erklären Khait und seine Kollegen.
So klingt eine Pflanze, wenn ihre Ultraschall-Töne in unseren Hörbereich transponiert werden. © Khait et al./ Cell
Laute kommunizieren Zustand und Art der Pflanze
Doch was verraten die Laute der Pflanzen? Enthalten die Ultraschall-Klicks und Plops überhaupt Informationen? Auch das verriet der „Lauschangriff“ auf die Testpflanzen: Gestresste Pflanzen emittierten deutlich mehr Laute als gesunde, ungestresste Artgenossen. Tomatenpflanzen beispielsweise produzierten in gesundem Zustand nur rund einen Klick pro Stunde. Waren sie aber ausgetrocknet, stieg dies auf rund 35 Ultraschall-Klicks pro Stunde an. Bei einer Schnittverletzung „funkten“ die Tomatenpflanzen rund 25-mal pro Stunde.
„Unsere Messungen zeigen damit, dass die freigesetzten Laute Informationen über den physiologischen Zustand der Pflanze enthalten“, berichten die Forschenden. „Dabei ist jede Art von Stress und jede Pflanzenart mit einem spezifischen, identifizierbaren Laut verbunden.“ Dies zeigte sich, als die Wissenschaftler ein neuronales Netzwerk auf die verschiedenen Schall-Emissionen ihrer Testpflanzen trainierten.
Das KI-System konnte dann beispielsweise geschnittene, vertrocknete und gesunde Tomatenpflanzen mit rund 80-prozentiger Trefferquote unterscheiden. Auch die Klicks verschiedener Pflanzenarten und sogar den Grad des Trockenstresses konnte das lernfähige System erkennen.
Implodierende Luftbläschen als Urheber?
Doch wie produzieren die Pflanzen diese Ultraschalllaute? Nach Ansicht der Wissenschaftler könnten die schon zuvor beobachteten Kavitationen von Luftbläschen im Leitungssystem der Pflanzen dafür verantwortlich sein. Wenn die Bläschen implodieren, erzeugt dies Vibrationen, die dann teilweise als Ultraschall an die Luft übertragen werden. „Der Frequenzbereich der Kaviationsvibrationen überlappt teilweise mit den von uns aufgezeichneten Lauten“, schreiben Khait und sein Team.
Dazu passt auch die Zunahme der Klicks bei Trockenheit oder Verletzung: Wenn die Pflanze unter Wassermangel leidet, bilden sich mehr Luftbläschen in ihren Leitungen und auch bei einer Verletzung dringt mehr Luft ein. Beides führt dann dazu, dass mehr Bläschen kollabieren und demzufolge auch mehr Vibrationen entstehen.
„Die Blumenwiese ist ein lauter Ort“
„Unsere Ergebnisse legen nahe, dass die Welt um uns herum von Pflanzenlauten erfüllt ist und dass diese Laute Informationen enthalten – beispielsweise über Wassermangel oder Verletzung“, sagt Hadany. Die Forschenden gehen davon aus, dass auch viele nicht von ihnen getesteten Pflanzen solche Ultraschall-Geräusche von sich geben können. „Eine idyllische Blumenwiese könnte demnach ein ziemlich lauter Ort sein, auch wenn wir diese Geräusche nicht hören können“, so Hadany.
Nach Ansicht der Wissenschaftler könnten die Pflanzenlaute auch eine ökologische Bedeutung haben. Denn die Ultraschall-Signale liegen in einem Frequenzbereich, den viele mit den Pflanzen interagierende Tiere hören. „Es ist gut möglich, dass andere Organismen auf diese Laute reagieren – beispielsweise eine Motte, die ihre Eier auf der Pflanze ablegen will, oder ein anderes Tier, das diese Pflanze fressen möchte. Sie könnten die Pflanzengeräusche nutzen, um ihre Entscheidungen zu treffen“, erklärt Hadany.
Nützlich für Tiere und uns Menschen
Theoretisch wäre es sogar denkbar, dass auch Pflanzen die Ultraschall-Signale ihrer Nachbarn wahrnehmen können. „Jetzt, wo wir wissen, dass Pflanzen Schallemissionen von sich geben, ist die nächste Frage: Wer könnte ihnen zuhören?“, sagt Hadany. „Wir sind zurzeit dabei, die Reaktionen anderer Organismen – Tieren und Pflanzen – auf diese Laute zu untersuchen.“ Außerdem testet das Forschungsteam, ob sich die Laute verschiedener Pflanzen auch im Freiland messen und unterscheiden lassen. Im Gewächshaus ist ihnen dies mithilfe des KI-Systems bereits geglückt.
Damit könnten die Pflanzenlaute dann auch für die Landwirtschaft und Pflanzenzucht nützlich sein. „Die Schallemissionen der Pflanzen eröffnen eine Möglichkeit, ihre Wasserversorgung oder auch Krankheiten zu überwachen – beides wichtige Parameter für die Landwirtschaft“, so die Wissenschaftler. (Cell, 2023; doi: 10.1016/j.cell.2023.03.009)
Quelle: Cell Press, Tel-Aviv University