Archäologie

Älteste Pestfälle Großbritanniens entdeckt

Schon vor 4.000 Jahren zirkulierte Yersinia pestis auch auf den Britischen Inseln

Yersinia pestis
Der Pesterreger Yersinia pestis (gelb) zirkulierte vor 4.000 Jahren auch schon auf den Britischen Inseln. © Rocky Mountain Laboratories/ NIAID

Bronzezeitliche Infektion: Schon vor rund 4.000 Jahren erkrankten auch auf den Britischen Inseln Menschen an der Pest. Belege dafür liefern zwei Kinder und eine Frau, in deren Überresten Archäologen die DNA des Pestbakteriums Yersinia pestis nachgewiesen haben. Diese Toten sind nicht nur die ältesten Pestfälle Großbritanniens, sie belegen auch, dass die dort grassierende Pest noch nicht von Flöhen übertragen wurde. Denn der Erreger gehörte zu einer bronzezeitlichen Stammeslinie, dem ein dafür essenzielles Gen fehlte.

Ob die justinianische Pest der Spätantike oder der „Schwarze Tod“ des Mittelalters: Das Bakterium Yersinia pestis hat schon oft große Pest-Epidemien ausgelöst. DNA-Analysen belegen, dass es erste Varianten dieses Erregers schon vor rund 4.800 Jahren in Europa gab. Diesen Bakterien der sogenannten LNBA-Linie fehlte jedoch noch das ymt-Gen, durch das die Bakterien im Darm von Flöhen überleben können. Erst als bronzezeitliche Steppennomaden Pesterreger mit diesem Gen einschleppten, wurden Flöhe zu Hauptüberträgern der Pest.

Pest-Nachweise
Verbreitung der LNBA-Linien von Yersinia pestis im bronzezeitlichen Eurasien. © Pooja Swali et al./ Nature Communications

Erregerfahndung mittels alter DNA

Unklar war jedoch bisher, ob die damaligen Peststämme nur in Kontinentaleuropa zirkulierten, oder ob sie mit Einwanderern vom Festland auch die Britischen Inseln erreichten. Jetzt liefern DNA-Analysen aus zwei frühbronzezeitlichen Gräberfeldern eine Antwort. Für ihre Studie analysierten Pooja Swali vom Francis Crick Institute in London und ihre Kollegen DNA-Proben von 34 Toten aus einem Massengrab im englischen Somerset und von vier Toten in einer Ringwall-Grabanlage aus Cumbria im Nordwesten Englands.

Das Ergebnis: Bei drei Toten ließ sich die DNA des Pesterregers Yersinia pestis nachweisen – sie waren zum Zeitpunkt ihres Todes mit der Pest infiziert. Zwei dieser frühen Pestfälle waren Kinder im Alter zwischen zehn und zwölf Jahren, die vor rund 4.000 Jahren im Massengrab Charterhouse Warren begraben worden waren. Die dritte positive Probe stammt von einer erwachsenen Frau, die etwa um die gleiche Zeit im Ringwallgrab von Cumbria bestattet worden war.

Britische Pestbakterien noch ohne „Floh-Gen“

Diese drei Pestfälle sind damit die bisher ältesten in Großbritannien. „Diese Ergebnisse von zwei verschiedenen Orten belegen, dass sich Yersinia pestis in der Bronzezeit auch bis nach Großbritannien ausgebreitet hatte“, schreiben Swali und ihr Team. Weil beide Fundorte relativ weit auseinander liegen, gehen sie davon aus, dass die Pest damals wahrscheinlich in ganz England oder sogar auf den gesamten Britischen Inseln vorkam.

Nähere Analysen ergaben, dass die in den drei britischen Pestfällen nachgewiesenen Bakterien zu der frühen Variante von Yersinia pestis gehörten: Ihnen fehlte noch das ymt-Gen, das die Flohübertragung ermöglichte. Das könnte bedeuten, dass diese Pestvariante sich nur durch direkte Ansteckung von Mensch zu Mensch verbreitete. Im Stammbaum der Pestlinien ordnen die Forschenden ihre Funde als Abkömmling der als erstes nach Europa eingeschleppten ymt-freien LNBA-Linie ein.

Allerdings weist das Genom der britischen Pesterreger noch eine weitere Auffälligkeit auf: Im Erbgut fehlt zusätzlich das yapC-Gen. „Dieses Gen verbessert die Bindung des Bakteriums an Zellen und könnte daher während der Infektion die Kolonisierung der infizierten Person erleichtert haben“, erklären die Forschenden. Der Verlust dieses Gens wurde auch bei Stämmen vom europäischen Festland schon nachgewiesen.

Pest in ganz Europa

Zusammengenommen legen die Genomvergleiche nahe, dass die in der frühen Bronzezeit in Kontinentaleuropa zirkulierenden Pestvarianten auch Großbritannien erreichten. „Die britischen Yersinia-pestis-Varianten waren eng mit einigen Bronzezeit-Nachweisen aus Deutschland verwandt“, berichten Swali und ihre Kollegen. Zudem bestätigen die Analysen erneut, dass im Europa der Bronzezeit mehrere Pestvarianten gleichzeitig kursierten.

„Dies liefert uns ein neues Puzzlestück im Verständnis der frühen genetischen Entwicklung und Koevolution von Menschen und Erreger“, erklärt Seniorautor Pontus Skoglund vom Francis Crick Institute. „Wir wissen zwar, wie enorm der Einfluss großer historischer Pest-Ausbrüche wie des Schwarzen Todes war, aber diese ältere DNA lässt uns noch weiter in die Vergangenheit zurückblicken.“

War die frühe Pest tödlich?

Unklar ist allerdings bisher, wie infektiös und aggressiv die vor rund 4.000 Jahren in Großbritannien vorkommende Pestvariante war. Denn an den Gebeinen der drei bronzezeitlichen Toten ist dies nicht abzulesen. Die beiden Kinderskelette aus dem Massengrab zeigen zudem deutliche Spuren der Gewalteinwirkung – ähnlich wie viele der mit ihnen Begrabenen. Sie starben daher vermutlich nicht an einer Krankheit, sondern als Folge eines Konflikts. (Nature Communications, 2023; doi: 10.1038/s41467-023-38393-w)

Quelle: The Francis Crick Institute

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