Normalerweise ändern Erdplatten ihre Bewegungsrichtung nur sehr langsam. Das liegt daran, dass ihre Geschwindigkeit vom Gewicht der an den Subduktionszonen abtauchenden Platten (slab pull), von der Konvektionsbewegung des hochviskosen Erdmantels (basal drag) und von dem gravitativen seitlichen Druck der Mittelozeanischen Rücken (ridge push) bestimmt wird. Diese antreibenden Kräfte verändern sich in der Regel nur im Verlauf von mehreren zehn Millionen Jahren.
Abrupte Veränderungen
Allerdings finden sich immer mehr Hinweise darauf, dass die Kontinente in einigen seltenen
Momenten der Erdgeschichte ihre Bewegungsrichtung und Geschwindigkeit sehr plötzlich ändern können. So verdreifachte beispielsweise der Indische Subkontinent sein Drifttempo vor rund 80 Millionen Jahren und bewegte sich ab dann schneller auf Eurasien zu. Welche Prozesse die Erdplatten so rapide beschleunigen, wird derzeit intensiv diskutiert, ohne dass bislang eine allgemein gültige Theorie für diesen Prozess gefunden wurde.
Analysen des Zerbrechens von Pangäa zeigen jedoch, dass abrupte Änderungen der Plattengeschwindigkeit häufig mit kontinentalem Zerbrechen korrelieren. Die Trennung des südamerikanischen Kontinents von Afrika begann beispielsweise sehr langsam mit einer durchschnittlichen Riftgeschwindigkeit von etwa fünf bis sieben Millimetern pro Jahr und blieb über mehr als 20 Millionen Jahre hinweg relativ konstant. In dieser Zeit senkte sich die Oberfläche des südatlantischen Grabensystems langsam ab und wurde schließlich von Süden her überflutet.
Als Südamerika schneller wurde
Vor rund 125 Millionen Jahren kam es dann zu einer abrupten Beschleunigung Südamerikas und die Riftgeschwindigkeit stieg innerhalb von wenigen Millionen Jahren auf durchschnittlich 40 Millimeter pro Jahr. Das Rift wurde dadurch förmlich auseinandergerissen und von hohen Absenkungsraten und Vulkanismus geprägt, bis schließlich die Ozeanisierung einsetzte und der mittelozeanische Rücken entstand.
Auch auf Südamerikas Westseite hat die Beschleunigung des Kontinents Spuren hinterlassen. Dort tauchen ozeanische Platten in einer Subduktionszone in den tiefen Erdmantel unter Südamerika hinab. Der Westrand Südamerikas wurde durch den Subduktionsprozess zuerst gedehnt und in den nördlichsten Gebieten bildeten sich sogar kleinere Meeresbecken, wie sie heute beispielsweise in Ostasien zu finden sind. Vor rund 140 Millionen Jahren schob das beschleunigte Südamerika diese Becken dann wieder zusammen. Letztlich bereitete dieser Vorgang auch den Weg zur Entstehung der Anden viele Millionen Jahre später. Die Überreste dieser Untersee-Episode sind heute in Form von marinen Sedimenten aus der Kreidezeit in den Anden zu finden.
Turbo auch an anderen Plattengrenzen
Die zeitliche Abfolge einer erst langsamen, dann abrupt beschleunigten Trennung von Kontinenten lässt sich bei dem Zerbrechen vieler Erdmassen nachweisen, sei es bei der Trennung von Australien und der Antarktis, Nordamerika und Grönland, Afrika und Südamerika, im Nordatlantik oder im Südchinesischen Meer.
Die größte Riftzone, an der ein Kontinent aktuell zerbricht, ist das Ostafrikanische Grabensystem. Dieses Riftsystem wird derzeit mit etwa vier bis fünf Millimeter pro Jahr gedehnt. Es befindet sich also noch in der langsamen Riftphase. Die neuen Ergebnisse erlauben jedoch die Annahme, dass sich die Dehnungsraten plötzlich erhöhen könnten, bevor sich im Ostafrikanischen Rift ein neuer Ozean entwickelt.