Der Einsatz vieler Phthalat-Weichmacher ist in der EU teilweise verboten oder mit negativen Einschätzungen und Einschränkungen versehen. Deswegen versucht die europäische Kunststoffindustrie seit Längerem, weniger schädliche Chemikalien einzusetzen und diese gegen Alternativen zu ersetzen.
So wurde der Anteil des einst meistverwendeten Phthalats DEHP zwischen 1999 und 2008 bereits von 42 auf 17,5 Prozent gesenkt. Stattdessen nutzte die Industrie zunächst vermehrt längerkettige Phthalate wie Diisononylphthalat (DINP) und Diisodecylphthalat (DIDP). 2008 lag ihr Anteil an allen verwendeten Weichmachern in der EU bei 67 Prozent, Tendenz steigend. Diese Weichmacher sind nach EU-Kriterien nicht kennzeichnungspflichtig und werden derzeit nicht als toxisch für die menschliche Gesundheit eingestuft.
Sind andere Phthalate harmlos?
Aber sind diese alternativen Phthalate tatsächlich gesünder? Vermutlich nicht, denn DINP und DIDP standen schon bald nach ihrer Einführung im Verdacht, ebenso wie DEHP langlebig in der Umwelt vorhanden zu sein, sich dadurch in hohem Maße in Organismen anzureichern und die Gesundheit von uns Menschen zu schädigen. Eine Studie mit Jugendlichen legte beispielsweise 2015 einen Zusammenhang dieser Phthalate mit Bluthochdruck und Insulin-Resistenz nahe, einer Vorstufe von Diabetes.
„Für viele der derzeit verwendeten DEHP- Ersatzstoffe wurde schon gezeigt, dass sie auch zur Bildung von oxidativem Stress führen und somit höchstwahrscheinlich ähnliche Auswirkungen auf die Blutbildung besitzen wie DEHP“, sagt Lars Kaiser, der dazu eine Studie aus dem Jahr 2021 leitete. (doi: 10.3390/cells10102703). DINP und DIDP sind also keinesfalls gesundheitlich unbedenkliche Weichmacher.
Alternative Weichmacher ohne Phthalate
Inzwischen kommen in der Industrie zunehmend auch alternative Weichmacher zum Einsatz, die nicht zur Gruppe der Phthalate gehören und nicht als gesundheitsschädlich eingestuft sind. Dazu zählen etwa Chemikalien aus den Gruppen der Adipate, biobasierten Citrate, Cyclohexanoate, Sebaccate und Trimellitate. Im Kunststoff PVC werden zum Beispiel auch die Esterverbindungen mit den Handelsnamen Mesamoll und Hexamoll (1,2-Cyclohexandicarbonsäure-diisononylester, DINCH) als Weichmacher verwendet. Doch diese Phthalat-Alternativen sind meist teurer und erfüllen nicht immer die gewünschten Eigenschaften, etwa hinsichtlich ihrer Beständigkeit. Die Industrie sucht daher weiterhin nach geeigneten weichmachenden Materialien.
Diese Veränderungen machten sich auch darin bemerkbar, welche Phthalate in den vergangenen Jahren im Urin von Menschen nachgewiesen wurden. „Es zeigt sich, dass sich Marktveränderungen aufgrund der Regulierung bestimmter Phthalate und der Zunahme von Ersatzstoffen schnell in der internen Belastung der Bevölkerung widerspiegeln“, heißt es in einer Publikation zur letzten Deutschen Gesundheitsstudie (GerES V, doi: 10.1016/j.ijheh.2021.113780). Demnach ging die Belastung mit kleinen Phthalaten wie DEHP zurück, die Belastung mit Alternativen wie Hexamoll stieg.
Weichmacher aus nachwachsenden Rohstoffen
Parallel suchen Chemiker und Materialforscher nach weiteren Alternativ-Weichmachern, die nicht nur gesundheitlich unbedenklichen sind, sondern möglichst auch nachhaltig. „Phthalate werden auf der Basis von Erdöl hergestellt. Diese Ressource verursacht eine ungünstige CO2-Bilanz und ist begrenzt, sodass wir Alternativen finden müssen“, erklärt Harald Gröger von der Universität Bielefeld. Sein Team setzt daher auf nachwachsende Rohstoffe: „So können Zucker aus Abfallströmen aus der Lebensmittelproduktion wie beispielsweise Kleie eingesetzt werden oder Zucker aus Holz, also Cellulose“, sagt der Chemiker.
Einer der Ansätze der vergangenen Jahre ging beispielsweise von der Substanz 2-Methylfuran aus, die aus Kleie gewonnen werden kann. Daraus haben die Forschenden einen biobasierten Grundbaustein für neuartige Weichmacher hergestellt, der zwar nicht alle, aber bereits einen Großteil der technischen Anforderungen erfüllt. Basierend darauf sollen in Zukunft marktfähige biobasierte Weichmacher entwickelt werden.
Dabei haben Bio-Weichmacher eine hohe Messlatte zu erfüllen. „Die konventionellen Weichmacher wurden über viele Jahrzehnte optimiert und besitzen hervorragende technische Performance-Eigenschaften. Die biobasierten Alternativen müssen nun zusätzlich zu den Ansprüchen an die Nachhaltigkeit auch den bestehenden Anforderungen in der Produktion und Anwendung gerecht werden: leicht herstellbar, günstig und mit chemisch vergleichbaren Eigenschaften ausgestattet“, erklärt Gröger (doi: 10.1002/ejoc.202101014).
Alternativen für Bisphenol A
Wegen seiner gesundheitsgefährdenden Wirkung versucht die europäische Industrie seit einigen Jahren auch den Einsatz von Bisphenol A in Kunststoffprodukten zu vermeiden. Vor allem auf Getränkeflaschen und Plastikdosen für Lebensmittel findet sich inzwischen häufig die Kennzeichnung „BPA frei“. Diese Produkte werden stattdessen teilweise mit BPA-Ersatzstoffen wie Bisphenol S oder Bisphenol F hergestellt.
Diese Bisphenole sind allerdings Bisphenol A chemisch sehr ähnlich und aus Sicht des Umweltbundesamtes daher kein geeigneter Ersatz. Für die meisten von ihnen besteht Grund zur Sorge, dass sie genau wie BPA in der Umwelt und in unserem Körper hormonell wirksam sein könnten. Ihre Umweltwirkung ist zwar noch nicht abschließend wissenschaftlich untersucht, in Versuchen mit Zellkulturen und Tieren zeigten die Bisphenole jedoch bereits eine vergleichbare schädigende Wirkung wie BPA. Bisphenol FL blockierte in einer Studie beispielsweise das Hormon Östrogen, störte damit die Fortpflanzung und führte bei Mäusen zu Fehlgeburten.
Hoffnungsträger BGF
Da bislang noch keine umwelt- und gesundheitsfreundlichen BPA-Ersatzstoffe verfügbar sind, wird weiter zu Alternativen geforscht. Zum Beispiel kann aus dem Holzabbaustoff Lignin der gesundheitlich unbedenkliche und zudem nachhaltige BPA-Ersatzstoff Bisguaiacol F (BGF) hergestellt werden, wie bereits eine Studie aus dem Jahr 2014 zeigte. BGF und ähnliche Bisguaiacole gelten seither als „grüne“ Alternative zu BPA, sind jedoch noch schwer herzustellen und in ihrer hormonellen Wirkung noch nicht abschließend untersucht (doi: 10.1016/j.foodchem.2020.127656).
Plastikzusätze wie Weichmacher und Bisphenole werden voraussichtlich auch in Zukunft ein wesentlicher Bestandteil von Kunststoffen und damit vielen Alltagsprodukten bleiben. Die Suche nach BPA- und Phthalat-Alternativen, die sowohl den Ansprüchen der Industrie als auch den Umwelt- und Verbraucherinteressen gerecht werden, hat aber in den vergangenen Jahren an Fahrt aufgenommen, weil das Bewusstsein für die damit verbundenen Gesundheitsgefahren in den westlichen Ländern gestiegen ist.