Bock zum Gärtner gemacht: Geleakte Dokumente legen nahe, dass der Präsident des kommenden Weltklimagipfels in Dubai, Sultan Al Jaber, Vorgespräche zur COP28 als Mittel zur Anbahnung fossiler Geschäfte genutzt hat oder zumindest nutzen wollte. Demnach setzte Al Jaber bei den bilateralen Gesprächen Angebote zu Flüssiggas und anderen fossile Energieträgern auf die Tagesordnung, wie auch Mitglieder des COP28-Teams bestätigten. Al Jaber ist gleichzeitig CEO des nationalen Ölkonzerns Adnoc der Vereinten Arabischen Emirate.
Schon im Vorfeld des kommenden Weltklimagipfels COP28 wurde Kritik daran laut, die Klimaschutzverhandlungen ausgerechnet in Dubai stattfinden zu lassen. Denn die Vereinigten Arabischen Emirate (VAE) beziehen einen Großteil ihres Reichtums aus der Förderung und dem Verkauf von Öl und Gas – und damit fossilen Energieträgern. Kritisiert wurde auch, dass der offizielle Präsident der COP28, Sultan Al Jaber, CEO des nationalen Ölkonzerns Adnoc ist – und sich geweigert hat, wenigstens für die Zeit des Klimagipfels diesen Posten ruhen zu lassen.
Leak enthüllt kommerzielle Interessen des COP-Präsidenten
Jetzt sind brisante Informationen ans Licht gekommen: Das Centre for Climate Reporting (CCR) und die BBC in Großbritannien haben mehr als 150 Seiten geleakter Dokumente erhalten, die schwerwiegendes Fehlverhalten des Sultans Al Jaber und seines Stabs nahelegen. Demnach soll Al Jaber die in den letzten Monaten erfolgten bilateralen Vorgespräche in mehr als 30 Staaten auch zur Anbahnung neuer Geschäfte für Adnoc genutzt haben.
Den Dokumenten zufolge standen Gespräche über kommerzielle Partnerschaften mit Adnoc auf der Tagesordnung von Treffen mit Vertretern von Regierungen und Wirtschaft in mindestens 30 Ländern, darunter auch Deutschland, den USA und Italien. „Unsere Untersuchungen bestätigten, dass in mindestens einem Fall ein Staat die bei einem solchen Meeting angesprochenen kommerziellen Verhandlungen weiter verfolgte“, berichtet CCR. Die meisten seitens BBC und CCR angesprochenen Ländervertreter wollten über den Inhalt der Vorgespräche nicht sprechen.
Öl- und Gas-Angebote als Teil der Gespräche
Doch das COP28-Team der VAE hat gegenüber CCR und BBC nicht bestritten, dass die bilateralen Gespräche zur Vorbereitung der Weltklimakonferenz auch für geschäftliche Gespräche genutzt worden sind. „Sultan Al Jaber hält eine Reihe von Positionen neben seiner Rolle als designierter COP28-Präsident“, erklärte ein Sprecher des COP28-Stabs gegenüber CCR. Das sei allgemein bekannt. Geleakte Briefings des Teams bestätigen zudem, dass die kommerziellen Möglichkeiten für fossile Deals Teil der Vorbereitung für die bilateralen Gespräche waren.
In einem Briefing für das Vorgespräch mit zwei französischen Ministern stand beispielsweise unter dem Punkt „Adnoc“: „Die VAE sind engagiert bei der Unterstützung Frankreichs in verantwortungsvoller und verlässlicher Weise, durch Kohlenwasserstoff-Geschäfte, LNG-Wachstum, das der Schlüssel für die Energiewende ist, und durch die Bereitstellung von Erneuerbaren in großem Maßstab.“
In einem Briefing für Gespräche in Ägypten hieß es: „Adnoc, als verlässlicher Lieferant für Energien und Energieprodukte steht bereit, die Versorgung Ägyptens mit Petrochemikalien zu unterstützen.“ Auch in anderen Gesprächen soll Al Jaber für Adnoc und Masdar Lobbyarbeit betrieben haben. Interne E-Mails und Protokolle von Meetings legen ebenfalls nahe, dass die COP28-Vorbereitung nicht unabhängig von Adnoc und den Interessen des Ölkonzerns erfolgte. Einigen E-Mails zufolge sollten Adnoc und das zweite von Sultan Al Jaber geleitete, auf erneuerbare Energien ausgerichtete nationale Unternehmen Masdar „immer in die Gespräche einbezogen werden“, wie CCR berichtet.
Schaden für Glaubwürdigkeit und Erfolg des COP28
Brisant sind diese Enthüllungen in mehrerer Hinsicht. Zum einen untergraben sie das Vertrauen in den Weltklimagipfel und die ohnehin schwierigen globalen Klimaschutzverhandlungen. Laut UN-Klimasekretariat UNFCC sind COP-Präsidenten und ihre Teams zu Unparteilichkeit verpflichtet und sollen „ohne Vorurteile, Verzerrung, Selbstinteresse, Bevorzugung oder Abwertung handeln und unabhängig und fair urteilen.“ Dies bestätigt auch Manuel Pulgar-Vidal, Präsident der COP20 in Lima: „Als COP-Präsident kann man keine nationalen oder kommerziellen Interessen vertreten, denn das unterminiert das Vertrauen in die Präsidentschaft“, sagte er gegenüber CCR.
Für den Präsident der COP28 scheint dies aber nicht zu gelten. „Die VAE sind zurzeit der Verantwortliche für den UN-Prozess, der die globalen Emissionen reduzieren soll“, kommentiert Michael Jacobs of Sheffield University gegenüber CCR. „Doch in denselben Meetings, in denen dieses Ziel vorangebracht werden soll, versucht die VAE, nebenbei Geschäfte zu machen, die die weltweiten Emissionen erhöhen werden.“ Demgegenüber erklärte ein Sprecher des COP28-Vorbereitungsteams: „Die COP28-Präsidentschaft ist der Überzeugung, dass es nicht sinnvoll ist, die Menschen von den Gesprächen zur Energiewende auszuschließen, die das aktuelle Energiesystem am besten verstehen.“
Die aktive Lobbyarbeit Sultan Al Jabers für die Öl- und Gasindustrie könnte auch den Klimaschutzverhandlungen beim Gipfel direkt schaden. Denn als COP-Präsident leitet er die Verhandlungen für den Wortlaut der Abschlusserklärung. Beim diesjährigen Klimagipfel ist eine der vorab heiß diskutierten Fragen dazu, ob sich die Mitgliedsstaaten diesmal darauf einigen werden, den Ausstieg aus den fossilen Energien als Klimaschutzziel klar zu benennen. (CCR, Website mit den geleakten Dokumenten)
Quelle: Centre for Climate Reporting