Phänomene

Mykotoxine: Von unangenehm bis tödlich

Wie wirken Pilzgifte?

Auf den menschlichen Körper und andere Tiere wirken Pilzgifte auf ganz unterschiedliche Weise – von leichten Schäden bis hin zum Tod. Von den über 5.000 Großpilzen in Europa sind etwa 150 als giftig bekannt. Sie produzieren kleine Moleküle oder Proteine mit toxischer Wirkung. Doch nur ein gutes Dutzend dieser Pilzgifte sind tatsächlich lebensbedrohlich.

Gift-Feuerkoralle
Die Gift-Feuerkoralle (Trichoderma cornu-damae) ist einer der wenigen Pilze, die schon bei Hautkontakt giftig sind. Er kommt nur in Asien und Australien vor. © Atsushi Nakajima/CC-by 4.0

Hinzu kommt, dass selbst die toxischsten Pilze für gewöhnlich verzehrt werden müssen, um bei uns ihre Giftwirkung zu entfalten. Der bloße Hautkontakt reicht bei keinem der europäischen Giftpilze für eine Vergiftung aus. Auf anderen Kontinenten gibt es jedoch sehr vereinzelt Pilze, die schon bei Berührung ihre tödlichen Toxine an unsere Haut abgeben – zum Beispiel die in Asien und Australien beheimatete knallrote „Gift-Feuerkoralle“ (Trichoderma cornu-damae), deren Abwehrstoffe multiples Organversagen hervorrufen.

Vielfältige Wirkung der Pilzgifte

Die meisten Giftpilze haben nur eine lokale, eher schwache Reizwirkung und erzeugen mit ihren Giftstoffen etwa Verdauungsstörungen, Durchfall, Übelkeit und Erbrechen. Zu dieser Gruppe zählen beispielsweise einige Ritterlinge (Tricholoma), Täublinge (Russula) und Milchlinge (Lactarius), die unter anderem giftige Terpene herstellen. Die Vergiftungserscheinungen dieser Pilze dauern meist nur einige Stunden an.

Die Wirkung anderer Pilze kann dagegen einige Stunden bis Tage anhalten. Sie schädigen besonders das Nervensystem und führen zu schweren Wahrnehmungsstörungen – unter anderem der Fliegenpilz (Amanita muscaria) und Pantherpilz (Amanita pantherina), die das Nervengift Muscimol herstellen. In höheren Dosen ist diese halluzinogene Substanz tödlich. In Pilzen kommt sie jedoch in unterschiedlichen Mengen vor, je nach Umgebungstemperatur und Alter der Pilze, so dass der Verzehr eines Fliegenpilzes nicht zwangsläufig tödlich enden muss.

japanisches Eichhörnchen mit Fliegenpilz
Ein japanisches Eichhörnchen (Sciurus lis), das sich von einem Fliegenpilz (Amanita muscaria) ernährt. © Koichi Gomi

Zudem sind nicht alle Lebewesen gleichermaßen anfällig für dieses Gift: Japanischen Eichhörnchen kann das Neurotoxin des Fliegenpilzes beispielsweise nichts anhaben, wie eine Studie vor rund zwei Jahren ergab (doi: 10.1002/fee.2443). Generell sind Pilzgifte nicht unbedingt für alle Lebewesen schädlich: Manche Mykotoxine richten sich nur gegen andere Pilze, andere gegen Bakterien und wieder andere gegen den pflanzlichen Wirt oder gegen tierische Fressfeinde. Für wen das Gift gemacht ist, hängt von der Lebensweise und dem Lebensraum der Pilze ab. Im Fall der Eichhörnchen vermuten die Forschenden, dass diese den Pilzen bei der Verbreitung helfen, weswegen sie gegen das Gift immun sind.

Grüne Knollenblätterpilze
Der hochgiftige Grüne Knollenblätterpilz (Amanita phalloides) wird auch „Todeskappe“ genannt. © Strobilomyces/CC-by 3.0

Knollenblätterpilz: Todesbringer und Lebensretter

Neben den reizenden oder neurotoxischen Pilzsubstanzen gibt es noch ein dritte, deutlich gefährlichere Gruppe: Pilzgifte, die besonders die Zellen der Leber angreifen und zum Leberversagen führen können. Dazu zählt zum Beispiel der Grüne Knollenblätterpilz (Amanita phalloides), der neben weiteren Toxinen das extrem giftige Amatoxin alpha-Amanitin produziert. Dieser Pilz ist in Europa für den Großteil aller Todesfälle infolge einer Pilzvergiftung verantwortlich und wird daher auch „Todeskappe“ genannt.

Doch dieser Giftstoff kann auch medizinisch nützlich sein: So fanden Forschende um Xiongbin Lu von der University of Texas beispielsweise heraus, dass alpha-Amanatin sehr effektiv Tumorzellen im Darm abtötet. Da das Gift zugleich jedoch auch gesunde Leberzellen schädigt, hat das Team ein synthetischen Wirkstoff entwickelt, der alpha-Amanatin ähnelt, aber kranke Zellen stärker angreift als gesunde Zellen (doi: 10.1038/nature14418).

Spitzkegelige Kahlköpfe
„Magic Mushrooms“ wie der Spitzkegelige Kahlkopf (Psilocybe semilanceata) werden wegen ihrer halluzinogenen Wirkung als Drogen verzehrt. © Arp /CC-by 3.0

Psychedelika aus Pilzen

Eine besondere, wenn auch eher „zauberhafte“ als toxische Wirkung hat die pilzliche Substanz Psilocybin. Sie ist mit dem „Glückshormon“ Serotonin verwandt und kommt in Pilzen wie dem Mexikanischen Kahlkopf (Psilocybe mexicana) oder den in Deutschland wachsenden Spitzkegeligem Kahlkopf (Psilocybe semilanceata) und Blauendem Kahlkopf (Psilocybe cyanescens) vor. Diese natürliche psychedelische Substanz verändert ähnlich wie das synthetische LSD das Bewusstsein und löst einen Rauschzustand oder Halluzinationen aus.

„Magic Mushrooms“, die dieses Psychedelika herstellen, werden daher schon seit Jahrtausenden getrocknet und als Drogen verzehrt. Meist wird das Pilzgift nach einigen Stunden im Körper abgebaut und die Wirkung lässt nach. In seltenen Fällen kommt es beim Konsum der Pilze zu versehentlichen Vergiftungen durch Verwechslung mit Giftpilzen, manchmal auch zu „Horrortrips“ oder zu Todesfällen durch Selbstverletzung. Das Psilocybin selbst führt meist zum Erbrechen, bevor tödliche Mengen verzehrt werden können. Gelegentlich gibt es auch Berichte von langfristigen psychischen Störungen infolge des Pilzkonsums. Wegen ihrer Nebenwirkungen sind die „Zauberpilze“ hierzulande illegal. Inzwischen wird Psilocybin jedoch auch als potenzieller medizinischer Wirkstoff gegen Ängste und Depressionen untersucht (doi: 10.1038/s41591-022-01744-z).

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In den Schlagzeilen

Inhalt des Dossiers

Pilze und ihre Gifte
Die tödliche Gefahr der Mykotoxine

Chemische Verteidigung
Warum manche Pilze giftig sind

Mykotoxine: Von unangenehm bis tödlich
Wie wirken Pilzgifte?

Gesundheitsgefahr Schimmel
Schimmel- und Hefepilze im Klimawandel

Gefahren beim Pilze sammeln
Risiken und Chancen durch heimische Giftpilze

Von Mehltau bis Mutterkorn
Giftige Pilze in der Landwirtschaft

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