Biologie

Champignons sind (doch) Holzfresser

Erster Nachweis der Lignin-Verstoffwechselung durch einen Pilz

Champignons
Champignons können den Holzbestandteil Lignin nicht nur zerlegen – sie nutzen ihn auch für ihren eigenen Stoffwechsel. Das widerspricht den bisher gängigen Annahmen zu Pilzen. © Francisco J. de Anda/ iStock

Lehrmeinung widerlegt: Pilze wie der Champignon können selbst den widerstandsfähigen Holzbestandteil Lignin verstoffwechseln – bisher galt dies als weitgehend unmöglich. Doch die „Fütterung“ der Champigons mit 13C-markiertem Lignin hat die Pilze nun auf frischer Tat ertappt: In den Geweben und Proteinen der Pilze war der Kohlenstoff aus dem Lignin klar nachweisbar. Das belegt erstmals: Pilze können den Holzbestandteil Lignin nicht nur abbauen – sie nutzen ihn auch als Ressource.

Vom Busch bis zum Mammutbaum: Verholzte Pflanzen nutzen das Biopolymer Lignin, um ihre Zweige und Stämme stabil zu machen und vor der Zersetzung zu schützen. Denn dieses komplexe Molekül aus ringförmigen Kohlenwasserstoffverbindungen ist biochemisch schwer zu knacken. Selbst bei der Papierherstellung bleibt das Lignin aus dem Holz als Abfallstoff übrig und wird meist ungenutzt verbrannt.

Ligninstruktur
Lignin besteht aus einem komplexen Netzwerk miteinander verknüpfter aromatischer Kohlenwasserstoffe. © Karol Głąb/ CC-by-sa 3.0

Zwar gibt es einige Bakterien und Pilze, die das Lignin in kleinere Komponenten zerlegen können. „Bislang dachten aber alle, dass Lignin von den Pilzen lediglich abgebaut, aber nicht verstoffwechselt wird“, erklärt Koautor Michael Kohlstedt von der Universität des Saarlandes. Selbst holzfressende Pilze schaffen sich das hartnäckige Lignin nur aus dem Weg, um an die nahrhaften Zucker und Proteine im restlichen Pflanzengewebe zu gelangen – so die bisherige Annahme.

Champignons als Testobjekt

Doch ausgerechnet ein Allerweltspilz wie der Champignon hat diese Annahme nun widerlegt. Er diente dem Team um Kohlstedt und Erstautorin Katharina Duran von der Universität Wageningen als Testobjekt, um einem Hinweis nachzugehen. Nach diesem sind einige holzfressende Pilze in der Lage, einige eng mit dem Lignin verwandte, aber weniger langkettige chemische Verbindungen zu verstoffwechseln. „Das warf die spannende Frage auf, ob Pilze vielleicht doch das polymerische Lignin als Ressource für ihre Biomasse nutzen können“, erklären die Forschenden.

Um dies zu testen, züchtete das Team Champignons auf einem aus Stroh gewonnenen Lignin, das mit dem schweren Kohlenstoff-Isotop 13C markiert war. „Dieser Kohlenstoff-13 kann im Massenspektrometer sehr gut nachverfolgt werden“, erklärt Kohlstedt. Dadurch konnten er und seine Kollegen nachverfolgen, ob die Pilze das Lignin nur zerlegen oder aber den Kohlenstoff und andere Moleküle daraus auch aufnahmen und in ihre eigenen Zellen einbauen.

Ligninverwertung durch Champignons
Indizien für die metabolische Verwertung des Lignins durch die Champignons. © Duran et al./ Science Advances, CC-by 4.0

Ungebremstes Wachstum trotz Lignin-Diät

Und tatsächlich: „Wir konnten in allen Bestandteilen des Pilzes Kohlenstoff-13 nachweisen und damit auch die Tatsache, dass das Lignin nicht nur vom Pilz zersetzt wird, sondern dem Pilz auch als Kohlenstoffquelle zum Wachsen dient“, berichtet Kohlstedt. Besonders viel Lignin-Kohlenstoff detektierten die Forschenden in den vom Champignon produzierten Aminosäuren, aber auch in Fettsäuren, Kohlehydraten und dem Zellwandbestandteil Ergosterin waren Spuren des 13C aus dem Lignin zu finden.

Gleichzeitig zeigten die Zuchtversuche, dass Champignons selbst auf Nährmedien aus reinem Lignin gedeihen können. „Die Pilze entwickelten sich normal und bildeten ein dichtes Mycel-Netzwerk, das eng mit dem verbleibenden Lignin verwobene war“, schreiben die Forschenden. Zudem konnten sie nachweisen, dass die Champignons mindestens 27 verschiedene Enzyme produzieren, die am Lignin-Abbau beteiligt sind.

Lehrmeinung widerlegt

Damit können wir weltweit erstmalig nachweisen, dass höhere Pilze tatsächlich den Kohlenstoff aus dem Lignin metabolisch verwerten und in ihre eigene Biomasse einbauen“, konstatieren Duran und ihre Kollegen. „Die lange bestehende Lehrmeinung, dass Champignons den Holzbestandteil nur strukturell modifizieren und entfernen, um an Kohlehydrate zu gelangen, ist damit widerlegt.“

Dieser Nachweis wirft nicht nur ein neues Licht auf die Ressourcennutzung durch Champignon und Co – er könnte auch einen ganz praktischen Nutzen haben. „Lignin macht schätzungsweise 30 bis 40 Prozent der Abfallstoffe der Papierindustrie aus. Das liegt bisher gänzlich ungenutzt herum“, sagt Kohlstedt. Nachdem nun klar ist, dass Champignons und vermutlich auch andere Speisepilze auf Lignin-Substrat wachsen können, ließe sich dieser Holzabfall für die Pilzzucht nutzen.

Aber auch für die Produktion biobasierter Chemikalien wären Lignin verwertende Pilze und ihre Enzyme ein Plus. „Wenn man weiß, was ein Pilz in seinen Zellen mit dem Lignin macht, kann man ihn dazu bringen, quasi jedes erdenkliche Produkt für die chemische Industrie daraus zu machen, zum Beispiel als Ersatz für Erdöl“, erklärt Kohlstedt. (Science Advances, 20254; doi: 10.1126/sciadv.adl3419)

Quelle: Universität des Saarlandes

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