Archäologie

Eine Amphore als ewiger Nachttisch

Keramikgefäße geben Auskunft über prähistorische Ernährungstrends

Im über 4.000 Jahre alten Grab des erwachsenen Mannes liegen verzierten Amphoren – doch warum enthielten sie Schweinefett? © State Office for Heritage Management and Archaeology Saxony-Anhalt

Man könnte vermuten, dass dem hier abgebildeten Toten die große Amphore wegen ihrer schönen Verzierungen oder eines leckeren Inhalts mitgegeben wurde. Doch weit gefehlt: In dem schmucken Gefäß befand sich profanes Schweinefett. Uns erscheint dies nicht sonderlich nützlich, aber für die Menschen, die in der Bronzezeit in Sachsen-Anhalt lebten, war dies offenbar eine wertvolle Beigabe. Bis heute können solche Keramikgefäße einiges über die Ernährungstrends der damaligen Kulturen verraten. 

Eine gesunde Ernährung kann Spaß machen. Weniger Spaß macht es allerdings, seine Suppe mit einer Gabel zu essen, ein Brot in einer Schüssel zu schmieren oder Milch aus einer Blumenvase zu trinken. Aus diesem Grund passen Menschen die Form ihres Geschirrs schon seit jeher an den Inhalt an. Auch umgekehrt kann man aus der Form etwa einer prähistorischen Keramik-Amphore auf ihre einstige Verwendung schließen. Auch verzierte Gefäße sind häufig also mehr, als nur hübsch anzusehen.  

Das Fett gibt Auskunft 

„Welche ideologischen Bedeutungen auch immer durch diese klar erkennbaren Keramiktypen ausgedrückt worden sein mögen, sie wurden hergestellt, um den täglichen Bedarf zu decken, wahrscheinlich als Mittel zum Aufbewahren, Kochen und Servieren von Lebensmitteln“, erklären Adrià Breu von der Autonomen Universität Barcelona und seine Kollegen. Deshalb sei es naheliegend, dass sich die über die Jahrtausende wechselnden Ernährungstrends in bestimmten Regionen auch in den jeweils genutzten Bechern, Schüsseln und Töpfen widerspiegeln. 

„Die Untersuchung des Gefäßinhalts kann daher entscheidende Erkenntnisse über die prähistorischen Ökonomien Mitteldeutschlands sowie über soziale Praktiken des Nahrungskonsums und -teilens liefern“, erklären die Forschenden. Deshalb analysierten sie die Fettreste von über hundert verschiedenen Keramikgefäßen aus der Zeit zwischen dem frühen Neolithikum und der späten Bronzezeit aus dem mitteldeutschen Sachsen-Anhalt. Anhand der Ergebnisse können sie die uralten Gefäßinhalte etwa in Tier-, Milch-, Fisch- oder Pflanzenfette unterscheiden.  

Definitiv nicht vegan 

Das Ergebnis: Die prähistorischen Bewohner Sachen-Anhalts lebten definitiv nicht vegan. Stattdessen aßen sie nicht nur viele Milchprodukte – mit der Ankunft von Einwanderergruppen aus der eurasischen Steppe zu Beginn des späten Neolithikums entwickelten sie auch eine starke Affinität zu Schweinefleisch. Sogar bei den damaligen Bestattungsriten hatten die Fette des rosafarbenen Nutztiers eine Bedeutung: Häufig wurden große verzierte Amphoren mit Schweinefetten gefüllt und Gräbern beigegeben.   

Die Ergebnisse belegen außerdem einen Zusammenhang zwischen den wechselnden Ernährungstrends der Frühgeschichte und entsprechend veränderten Gefäßformen und -anwendungen. Beispielsweise traten in der Mitteljungsteinzeit erste Anzeichen für den Konsum von Milchprodukten auf, was gleichzeitig mit der Herstellung von kleinen Bechern einherging. „Es ist leicht vorstellbar, dass in dieser Zeit Milch und ihre Derivate Sahne, Butter, Käse und Joghurt einen hohen Stellenwert hatten und sich eine Tradition entwickelt hat, sie in solchen charakteristischen Bechern zu trinken oder zu essen, ähnlich wie wir Frühstücksbecher haben“, erklärt Breu.  

„Die Analyse hat es uns ermöglicht zu sehen, wie sich spezifische kulinarische Praktiken und Geschmäcker für verschiedene Arten des Kochens mit Keramik entwickelt haben –  eine Vielfalt, die mit anderen archäologischen Indikatoren nur sehr schwer zu erkennen wäre“, fasst der Forscher die Ergebnisse zusammen. (PLoS ONE, 2024; doi: 10.1371/journal.pone.0301278) 

Quelle: Autonome Universität Barcelona

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