Es ist der 11. April 2019. Die israelische Mondsonde „Beresheet“ löst sich aus der Mondumlaufbahn und bereitet sich auf die Landung vor. Sie soll am nordöstlichen Rand des Mare Serenitatis – einem der großen dunklen „Meere“ des Mondes – aufsetzen und Israel nach den USA, Russland und China zum vierten Land machen, dem eine solche weiche Mondlandung gelingt.
Die etwa kühlschrankgroße Raumsonde setzt zum Landeanflug an und nähert sich der Mondoberfläche bis auf 15 Kilometer an. Dann jedoch verliert das Kontrollzentrum den Kontakt. Wenig später stellt sich heraus, dass die vom privaten Raumfahrtunternehmen SpaceIL entwickelte Beresheet abgestürzt ist.
Blinde Passagiere an Bord
Einige Wochen später kommt heraus: Die israelische Raumsonde hatte nicht nur eine Kamera, ein Magnetometer und einen Laserreflektor an Bord, sondern auch eine unautorisierte Nutzlast der Arch Mission Foundation. Diese private Organisation hatte 2018 ein Datenarchivmit im roten Tesla-Sportwagen platziert, den der Jungfernflug der „Falcon Heavy“ von SpaceX in den Weltraum brachte. Für die Beresheet-Mission entwickelte die Foundation erneut ein Datenarchiv, deren Informationen und Bilder aus in Nickel gefrästen Nanopunkten bestand – das war bekannt und offiziell autorisiert.
Doch was die Missionsleitung nicht wusste: Arch-Mission-Gründer Nova Spivack hatte die Nutzlast kurz vor Auslieferung spontan um zwei Dinge ergänzt: um DNA-Proben von sich und seinen Mitarbeitern und um einige tausend getrocknete Bärtierchen. „Wir haben ihnen nicht gesagt, dass wir Lebensformen mit in das Ding packen“, sagte er gegenüber dem Journalisten Chris Taylor auf Mashable. „Raumfahrtagenturen mögen keine Last-Minute-änderungen.“ Wäre Beresheet wie geplant auf dem Mond gelandet, hätte möglicherweise niemand von den geschmuggelten Tardigraden erfahren.
Schutz gegen Kontamination unterlaufen
Aber es kam anders. Monate, nachdem die israelische Raumsonde zerschellt war, verrät Spivack sein Geheimnis – und der Aufschrei ist groß. Denn die geschmuggelte Nutzlast widerspricht nicht nur den Anforderungen des Weltraumvertrags, nach denen private Akteure ihre Pläne und Handlungen von staatlichen Stellen genehmigen lassen müssen.
Hinzu kommt, dass Spivack und sein Team auch gegen die Vorgaben des internationalen Committee for Space Research (COSPAR) verstoßen haben. Dieses 1958 gegründete nichtstaatliche Gremium dient als Forum und globaler Dachverband für alle Fragen wissenschaftlicher Weltraumaktivitäten. In regelmäßigen Generalversammlungen und internationalen Arbeitsgruppen werden Richtlinien für die weltraumbezogene Grundlagenforschung entwickelt und beschlossen – und auch für den „planetaren Schutz“ (Planetary Protection).
Diese Richtlinien sollen die Erde vor möglichen Kontaminationen durch außerirdische Lebensformen schützen, aber auch andere Himmelskörper vor dem Einschleppen irdischer Organismen bewahren – und damit genau vor dem nun eingetretenen Fall. Denn gerade Bärtierchen gelten als extrem widerstandsfähig: In ihrem getrockneten „Tönnchenzustand“ können die Tardigraden selbst dem Vakuum des Alls, harter Strahlung und extremer Hitze oder Kälte widerstehen. Selbst nach Jahren des Überdauerns im Ruhezustand können die Tiere wieder zum Leben erwachen, wie Studien belegen.
Leben nun Tardigraden auf dem Mond?
Es ist daher naheliegend, dass die Bärtierchen-Fracht der Beresheet-Sonde ihren Absturz überlebt hat. Nach Ansicht von Spivack ist der Behälter mit den DNA-Proben und Tardigraden wahrscheinlich sogar intakt geblieben – die Tiere könnten demnach überlebt haben. Allerdings: Angesichts der lebensfeindlichen Bedingungen auf dem Erdtrabanten – Hitze, Kälte, harte Strahlung, Trockenheit und Vakuum – ist es her unwahrscheinlich, dass die Bärtierchen erwachen und nun den Mond besiedeln.
Dennoch: Spivacks Tardigraden-Schmuggel widerspricht eklatant den Vorgaben des Weltraumvertrags und theoretisch haften Israel als die Nation, der die Sonde gehörte, und die USA als Sitz von Spivacks Arch Mission Foundation. Doch welche Konsequenzen drohen dem „Tardigraden-Schmuggler“? Und wie ist die Rechtslage?