Was hier auf den ersten Blick wie eine Mischung aus Holzmaserungen und flüssigem Gold aussieht, ist in Wahrheit eine mit Polymeren versetzte Flüssigkeit. Wegen ihrer Zusammensetzung verhält sie sich anders als Wasser und bildet elastische Turbulenzen, bei denen die Flüssigkeit auf ungewöhnliche Weise fließt. Die Polymere wirken dabei wie winzige Federn, die die Turbulenzen abfangen.
Körperflüssigkeiten wie Blut oder Lymphe verhalten sich nicht unbedingt so elastisch, wie man es von einer Flüssigkeit erwarten würde. Zum Beispiel verformen sie sich problemlos, wenn sie leicht berührt oder sanft umgelenkt werden, wirken aber fast so unbeweglich wie ein Festkörper, wenn eine starke Kraft auf sie ausgeübt wird.
Das liegt daran, dass sich in solchen sogenannten nicht-newtonschen Flüssigkeiten Spannung und Dehnung nicht linear zueinander verhalten. Dadurch entstehen chaotische Flüssigkeitsbewegungen, die Experten als elastische Turbulenzen bezeichnen. Ihr Gegenstück sind klassische Turbulenzen, die in Newtonschen Fluiden auftreten – zum Beispiel, wenn das Wasser in einem Fluss mit hoher Geschwindigkeit an einem Brückenpfeiler vorbeiströmt.
Mathematische Beschreibung von Strömungen
Die ungewöhnlichen Eigenschaften vieler biologischer Flüssigkeiten können Forscher auch künstlich hervorrufen, indem sie wässrige Flüssigkeiten mit einer geringen Konzentration an polymeren Molekülen versetzen. Das haben nun auch Wissenschaftler um Rahul Singh vom Okinawa Institute of Science and Technology (OIST) in Japan getan, wie auf dem Bild zu sehen ist.
Die Forscher untersuchten das Verhalten dieser Fluide, um ihre Strömungen und Geschwindigkeitsfluktuationen mit mathematischen Formeln beschreiben und vorhersagen zu können. Das soll künftig etwa in der Medizin und Industrie dabei helfen, biologische Proben oder andere Flüssigkeiten homogen zu vermischen. „Mit einer perfekten mathematischen Theorie könnten wir Vorhersagen über die Strömung treffen und Vorrichtungen entwerfen, die das Mischen von Flüssigkeiten verändern können“, sagt Seniorautor Marco Edoardo Rosti vom OIST.
Elastische und klassische Turbulenzen weisen ähnliche Eigenschaften auf
Nach mehreren Monaten komplexer Berechnungen mit Supercomputern stellten Singh und seine Kollegen schließlich überraschend fest, dass elastische Turbulenzen mehr mit der klassischen Newtonschen Turbulenz gemeinsam haben als erwartet. „Unsere Ergebnisse zeigen, dass elastische Turbulenzen einen universellen Energieabfall und ein bisher unbekanntes intermittierendes Verhalten aufweisen“, berichtet Rosti.
Demnach ändert sich die Geschwindigkeit, mit der das Fluid fließt, in elastischen Turbulenzen meist nur geringfügig, wird aber immer wieder von plötzlichen großen Schwankungen unterbrochen. Die Bewegungen der Flüssigkeit ähneln damit in ihrer Beschreibung dem Verlauf eines Elektrokardiogramms (EKG) mit seinen scharfen Spitzen, wie das Team berichtet.
Polymere wirken wie Mikrofedern
Hervorgerufen werden diese Strömungsschwankungen durch die Polymere, die wie winzige Federn wirken und die Turbulenzen vorübergehend abfangen. Durch die Flüssigkeitsbewegungen werden sie zunächst gedehnt, bevor sie sich wieder zusammenziehen und dabei Energie an die Flüssigkeit zurückgeben, wie Singh und seine Kollegen feststellten.
Solche Fluktuationen zwischen kleinen und sehr großen Werten sind bereits von Newtonschen Fluiden bekannt – allerdings nur für klassische Turbulenzen, die bei hohen Strömungsgeschwindigkeiten auftreten. Die Forscher fanden das gleiche Muster nun überraschend auch bei elastischen Turbulenzen in nicht-newtonschen Flüssigkeiten – bei sehr kleinen Strömungsgeschwindigkeiten. (Nature Communications, doi: 10.1038/s41467-024-48460-5)
Quelle: Okinawa Institute of Science and Technology (OIST) Graduate University