Klima

Arktische Riesenviren als Gletscher-Retter?

Auf Grönland neuentdeckte Viren befallen das Eis aufheizende Algenteppiche

Grönland Eis
Auch in den Eisschilden Grönlands gibt es Riesenviren. © Shunan Feng

Eisiger Klimaretter? Wissenschaftler haben Riesenviren erstmals auch im grönländischen Eisschild entdeckt. Dort befallen diese ungewöhnlich genreichen und großen Viren wahrscheinlich Schneealgen, deren große Blüten alljährlich das Meereis dunkel verfärben und so in der Sonne schneller zum Schmelzen bringen. Könnte man die neuentdeckten Riesenviren gezielt gegen solche Algenteppiche einsetzen, ließe sich dadurch möglicherweise die arktische Eisschmelze eindämmen.

Mit einer Größe von bis zu 2,5 Mikrometern sind Riesenviren nicht nur deutlich größer als normale Viren, sondern sogar größer als viele Bakterien. Auch ihr Genom ist im Verhältnis zu dem anderer Viren erstaunlich umfangreich und besitzt in einigen Fällen sogar fast die gesamte Genbasis für die Proteinbiosynthese. Damit stehen die viralen Riesen an der Grenze zwischen Viren und zellulärem Leben.

Probe
Eine der Proben, in denen das Team Riesenviren-DNA gefunden hat. © Laura Perini

Erste Riesenviren im grönländischen Eis entdeckt

Seit ihrer ersten Entdeckung Anfang der 1980er Jahre sind Riesenviren bereits in den unterschiedlichsten Lebensräumen aufgespürt worden: im Meer, im Süßwasser, im Waldboden und sogar in Kläranlagen. Nun sind Forschende um Laura Perini von der dänischen Universität Aarhus erstmals auch in den Eisschilden Grönlands auf Riesenviren gestoßen. Tatsächlich unter dem Mikroskop gesehen hat das Team die viralen Riesen allerdings noch nicht.

„Wir haben die Viren entdeckt, indem wir die gesamte DNA in den entnommenen Proben analysiert haben. Indem wir diesen riesigen Datensatz nach spezifischen Markergenen durchforsteten, fanden wir Sequenzen, die eine hohe Ähnlichkeit mit bekannten Riesenviren aufweisen“, erklärt Perini. Dass die DNA nicht von toten oder inaktiven Riesenviren stammt, belegen zusätzliche mRNA-Funde. Sie bestätigen, dass diese Viren ihre eigene DNA ablesen und somit aktiv sind.

Schneealgen als Leibspeise

Perini und ihre Kollegen konnten sogar schon ein wenig über die Lebensweise der arktischen Riesenviren in Erfahrung bringen. Da die viralen DNA-Signaturen vor allem in Proben aus mit Schneealgen bewachsenen Stellen auftauchen, vermuten die Forschenden, dass die Viren diese Algen infizieren und sich in ihnen vermehren.

„Es gibt ein ganzes Ökosystem, das die Algen umgibt. Neben Bakterien, Fadenpilzen und Hefen gibt es Protisten, die die Algen fressen, verschiedene Pilzarten, die sie parasitieren, und die Riesenviren, die wir gefunden haben, die sie infizieren“, erklärt Perini. 

Verfärbtes Eis
Im Frühjahr färben die Algen große Schneeflächen dunkel. © Laura Perini

Viren als Klimaretter?

Tatsächlich sind die arktischen Algen, die während ihrer Blütezeit im Frühjahr große Schneeflächen schwarz, rot und grün einfärben, aus wissenschaftlicher Sicht eher problematisch. Denn wenn das Eis bunt und damit dunkler wird, verringert sich seine Fähigkeit, die Sonne zu reflektieren. Dadurch heizt sich die Eisoberfläche auf und das Schmelzen des Eises beschleunigt sich – in Zeiten der globalen Erwärmung etwas, was es eigentlich zu verhindern gilt.

Genau an dieser Stelle könnten möglicherweise die grönländischen Riesenviren ins Spiel kommen. Fände man eine Möglichkeit, sie kontrolliert auf besonders von Algen bewachsenen Eisflächen auszubringen, könnten die Viren als „Algenfresser“ die Algenblüten eindämmen und so die dunklen Farbflecken auf Schnee und Eis reduzieren. Letztlich ließe sich so die durch die Algen verursachte Eisschmelze verringern, wie die Forschenden erklären.

Noch bleiben allerdings viele offene Fragen, unter anderem wie effizient die Viren tatsächlich als Algenvernichter wären. „Aber wenn wir sie weiter erforschen, hoffen wir, einige dieser Fragen beantworten zu können“, sagt Perini. (Microbiome, 2024; doi: 10.1186/s40168-024-01796-y)

Quelle: Aarhus University

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