Was hier aussieht wie das Resultat eines umgefallenen Farbkastens, ist in Wahrheit die bisher detailreichste Aufnahme von Zellen des menschlichen Dünndarms. Die verschiedenen Farben charakterisieren unterschiedliche Zelltypen. Das Bild ist Teil des „Human Cell Atlas“ – einer Initiative, bei der tausende Forschende sämtliche Zelltypen in den Organen und Geweben unseres Körpers kartiert und in einer gemeinsamen Datenbank erfasst haben.
Der „Human Cell Atlas“ (HCA) umfasst rund 100 Millionen Zellen von über 10.000 Menschen samt ihren individuellen Merkmalen und Funktionen. Unterteilt ist die Sammlung in mehrere Karten von bestimmten Körperteilen, Organen, Organoiden und Geweben. So gibt es beispielsweise eine eigene Karte des Magen-Darm-Trakts, aus dem dieses Bild der Darmzellen stammt. Die Zellen sind in den Atlanten in hoher Auflösung, oft in 3D und teilweise sogar in 4D samt der zeitlichen Entwicklung dargestellt.
Einblicke in gesunde und kranke Zellen
Die im Zellatlas zusammengefassten Zellen stammen von Gewebeproben von gesunden und kranken Menschen. Forschende können damit nun nach Unterschieden in den Genen oder anderen Eigenschaften der Zellen suchen und so herausfinden, welche Merkmale für bestimmte Krankheiten charakteristisch sind. Das soll künftig die Diagnose und Behandlung von Erkrankungen verbessern. Mediziner könnten so auch herausfinden, warum Medikamente bei manchen Menschen anders wirken, und so personalisierte Therapien entwickeln.
Eine der Studien befasst sich beispielsweise mit den zellulären Ursachen von chronisch entzündlichen Darmerkrankungen wie Morbus Crohn, eine andere mit den Vorgängen in der Lunge bei einer Corona-Infektion oder Lungenkrebs. Wieder eine andere Studie untersucht die Prozesse im weiblichen Körper, die zu Endometriose führen.
„Google Maps“ für die Prozesse in unserem Körper
„Durch die Erstellung einer umfassenden Referenzkarte des gesunden menschlichen Körpers – eine Art ‚Google Maps‘ für die Zellbiologie – wird ein Maßstab für die Erkennung und das Verständnis der Veränderungen gesetzt, die Gesundheit und Krankheit zugrunde liegen“, erklärt Sarah Teichmann von der HCA-Initiative und der Universität Cambridge.
Darüber hinaus stammen die Zellen von jungen und alten Menschen in verschiedenen Lebensabschnitten, woraus Forscher Rückschlüsse auf die Entwicklung des menschlichen Körpers ziehen können, beispielsweise des Skeletts, des Gehirns, des Herzens oder der Plazenta.
Wachsende Datenbank
Der „Human Cell Atlas“ ist kein abgeschlossenes Projekt, sondern soll stetig um neue Erkenntnisse und weitere Zellproben erweitert werden. „Dieser groß angelegte, von der Community getragene, weltweit repräsentative und streng kuratierte Atlas wird sich kontinuierlich weiterentwickeln und für alle zugänglich bleiben, um unser Verständnis des menschlichen Körpers zu verbessern“, sagt Aviv Regev von der HCA-Initiative und der Firma Genentech.
Denn: Der menschliche Körper enthält schätzungsweise 37 Billionen Zellen – es fehlen also noch einige in der Sammlung. Indem Proben weiterer Menschen analysiert werden, soll auch die biologische Vielfalt der Menschen auf zellulärer Ebene noch besser dargestellt werden. (Human Cell Atlas; Nature, 2024; doi: 10.1038/s41586-024-08338-4)
Quellen: Nature, Wellcome Trust Sanger Institute