Buchstäblich aus der Luft gegriffen: Forscher haben ein Verfahren entwickelt, mit dem sich aus Wüstenluft flüssiges Wasser gewinnen lässt. Das System absorbiert Wasserdampf selbst bei geringer Luftfeuchtigkeit und lässt das Wasser kondensieren. Das Besondere daran: Diese Methode funktioniert ohne zusätzliche Stromzufuhr – Antrieb ist allein die wechselnde Sonneneinstrahlung, wie die Wissenschaftler im Fachmagazin „Science Advances“ berichten.
Käfer und Pflanzen in der Namibwüste tun es und auch das in vielen Trockenregionen verbreitete Laubmoos Syntrichia caninervis: Sie gewinnen Wasser aus ihrer Umgebungsluft. Diese Wüstenbewohner profitieren davon, dass die Luft selbst in diesen trockenen Umgebungen noch Feuchtigkeit enthält – als Wasserdampf oder Nebel. Spezieller Oberflächenstrukturen lassen diese Feuchtigkeit auf den Organismen kondensieren und versorgen sie so mit flüssigem Wasser.
Wasserdampf aus trockener Luft
Doch lassen sich diese Patente der Natur auch für die menschliche Wassergewinnung nutzen? Tatsächlich existieren bereits Methoden, mit denen man Nebeltröpfchen oder Wasserdampf aus der Luft auffangen kann. Doch diese funktionieren in der Regel nur bei relativ hoher Luftfeuchtigkeit. Technologien, um in trockenem Wüstenklima Wasser durch Kondensation zu gewinnen, benötigen dagegen viel Energie.
Doch es geht auch anders: Omar Yaghi von der University of California in Berkeley und sein Team haben nun ein System entwickelt und getestet, das selbst aus trockener Luft noch Wasser gewinnen kann – und das allein mit dem Sonnenlicht als Energiequelle. „Es arbeitet bei Umgebungstemperaturen und Sonnenlicht und man kann mit ihm ohne zusätzliche Energiezufuhr Wasser in der Wüste gewinnen“, sagt Yaghi.
Metallorganische Verbindung als Wasserabsorber
Kern des Systems ist ein sogenanntes metallorganisches Gerüst (MOF), das als Wasserabsorber dient. Dabei handelt es sich um ein kristallines Material aus Metallen und organischen Molekülen, das durch unzählige Mikroporen eine enorm große Oberfläche besitzt. Sie kann bei einem MOF-Würfel von der Größe eines Zuckerstücks die Fläche von sechs Fußballfeldern erreichen, wie die Forscher erklären.
Dieses Material kann dadurch Wasserdampf unter normalen Umgebungsbedingungen sehr effektiv absorbieren. Dafür wird das MOF während der kühleren Nacht in einem offenen Behälter der Luft ausgesetzt. „Das Entscheidende dabei ist, dass dieses System in geringer Luftfeuchte arbeitet – und das ist genau das, was wir in den Wüstenregionen der Welt vorfinden“, sagt Yaghi. In den Tests funktionierte die Absorption selbst bei einer relativen Luftfeuchtigkeit von unter 40 Prozent.
Tag-Nacht-Wechsel als Antrieb
Um das gespeicherte Wasser wieder freizusetzen, genügt, es, das MOF zu erhitzen und den aufsteigenden Wasserdampf zu kondensieren. Dafür wird der äußere, transparente Behälter am Morgen geschlossen und der Sonnenhitze ausgesetzt. Das gespeicherte Wasser verdunstet, kondensiert an der Innenwand des Außenbehälters und sammelt sich in einem Auffangbecken.
Der Clou dabei: Dieser Zyklus aus Wasserdampfabsorption und Wasserabgabe funktioniert bei Raumtemperatur und allein durch die Temperaturunterschiede des Tag-Nacht-Wechsels, wie die Wissenschaftler berichten. Im Labor gewann sie so mit rund einem halben Kilogramm eines zirkoniumhaltigen MOF (MOF-801) 78 Gramm Wasser. Bei Tests in der Wüste von Arizona erzeugte das gleiche System immerhin noch 55 Gramm Wasser am Tag bei Luftfeuchten von fünf bis 40 Prozent.
„Enormes Interesse“
In ersten Tests mit einem weiteren, billigeren und noch effektiveren MOF auf Aluminiumbasis gelang es den Forschern bereits, unter gleichen Bedingungen doppelt so viel Wasser zu gewinnen. Ihren Schätzungen nach könnte mit einem Kilogramm dieses MOF-303 pro Tag rund 400 Milliliter Wasser in der Wüste gewonnen werden. Feldtests mit diesem optimierten System sind demnächst im Death Valley geplant.
Weil das wasserabsorbierende Material immer wieder einsetzbar ist und das Ganze völlig ohne Strom funktioniert, sei dies ein vielversprechendes System für selbst entlegene Wüstengebiete, so die Forscher. „Es gibt ein enormes Interesse daran, dies zu kommerzialisieren“, sagt Yaghi. „Mehrere Startups sind schon dabei, solche Wassergewinnungssysteme zu konstruieren. Vor allem das Aluminium-MOF macht es praktisch einsetzbar, weil es so günstig ist.“ (Science Advances, 2018; doi: 10.1126/sciadv.aat3198)
(University of California – Berkeley, 11.06.2018 – NPO)