Eingefangener Fremdling: Im Sonnensystem gibt es nicht nur interstellare „Touristen“ – es existieren auch Dauergäste extrasolaren Ursprungs. Das belegt ein solcher Asteroid, der in der Jupiterbahn um die Sonne kreist. Das Ungewöhnliche an ihm: Er bewegt sich entgegen der Richtung der Planeten. Sein retrograder, elliptischer und geneigter Orbit spreche dafür, dass dieser Asteroid einst aus dem interstellaren Raum kam, so die Forscher.
Die Entdeckung des Asteroiden ‚Oumuamua im Oktober 2017 belegt, dass unser Sonnensystem kein hermetisch abgeriegelter Raum ist. Immer wieder passieren Himmelskörper aus dem interstellaren Raum das Einflussgebiet der Sonne. Der zigarrenförmige ‚Oumuamua wurde vermutlich einst aus einem fremden Doppelsternsystem ausgeschleudert und auf eine Bahn katapultiert, die ihn in einer langen Schleife durch unser Planetensystem fliegen ließ.
Verkehrt herum in der Jupiterbahn
Doch wie sich nun zeigt, gibt es in unserem Sonnensystem auch interstellare Dauergäste. Entdeckt haben dies Fathi Namouni von der Universität der Cote d’Azur und seine Kollegin Helena Morais, als sie den erst vor Kurzem entdeckten Asteroiden (514107) 2015 BZ509 näher untersuchten. Dieser Brocken kreist in der Bahn des Jupiter um die Sonne, bewegt sich dabei aber entgegen der Richtung der Planeten und der meisten Asteroiden.
„Wie der Asteroid dazu kam, sich verkehrt herum zu bewegen, obwohl er Jupiters Orbit teilt, war bisher ein Rätsel“, sagt Namouni. Denn typischerweise sind solche co-orbitalen Umlaufbahnen retrograder Asteroiden sehr instabil. Schon nach relativ kurzer Zeit kommt es zu Störeinflüssen, die den Brocken entweder in die Sonne oder in einen Planeten stürzen lassen, wie die Astronomen erklären.
Woher kommt 2015 BZ509?
Hinzu kommt, dass 2015 BZ509 einen langgestreckten Orbit besitzt, der noch dazu gegen die Bahnebene der Planeten und restlichen Asteroiden geneigt ist. „Wenn 2015 BZ509 aus unserem Sonnensystem stammen würde, dann müsste er die gleiche Richtung wie alle anderen Planeten und Asteroiden haben – als Erbe der Urwolke aus Gas und Staub, in der sie gebildet wurden“, erklärt Namouni
Wie aber kann 2015 BZ509 dann in seine ungewöhnliche Umlaufbahn gelangt sein – und wann? Um das zu klären, führten die Forscher eine Simulation durch, in der sie eine Million Mal verschiedene Parameter durchspielten, durch die der Asteroid im Laufe der Entwicklung des Sonnensystems in seine Bahn gelangt sein könnte. Sie ließen dabei jeweils 4,5 Milliarden Jahre quasi im Zeitraffer durchlaufen.
Eingefangen aus dem interstellaren Raum
Es zeigte sich: Die meisten Varianten hielten sich nicht lange: Gut 500.000 von ihnen stürzten in die Sonne. Knapp 450.0000 wurden aus dem Sonnensystem herausgeschleudert und 465 Asteroiden kollidierten mit einem Planeten, wie die Forscher berichten. Doch einige wenige Asteroiden überdauerten – darunter diejenigen, die ursprünglich gar nicht aus unserem System stammen.
„Die klassischen Modelle der Planetenbildung können solche Orbits wie den von 2015 BZ509 nicht reproduzieren“, konstatieren Namouni und Morais. „Das deutet darauf hin, dass 2015 BZ509 aus dem interstellaren Medium eingefangen worden sein muss.“ Mit anderen Worten: Dieser Asteroid kam einst von außerhalb unseres Sonnensystems und wurde erst nachträglich durch die Schwerkraftwirkung der Sonne eingefangen und sozusagen „integriert“.
Kein Einzelfall
Die Astronomen vermuten, dass diese „Eingemeindung“ bereits in der Frühzeit unseres Sonnensystems geschah. „Die Sonne bildete sich in einem enggepackten Sternenhaufen“, erklärt Morais. „Die enge Nachbarschaft der Sterne und die Schwerkraftwirkungen der Planeten tragen dazu bei, dass diese Systeme dann Asteroiden von ihren Nachbarn anziehen und einfangen.“
Die Astronomen gehen deshalb davon aus, dass 2015 BZ509 kein Einzelfall ist. „Unsere Simulation liefert weitere Belege dafür, dass es aktuell noch mehr extrasolare Asteroiden im Sonnensystem geben muss“, sagen die Forscher. Das könnte möglicherweise auch erklären, warum einige Asteroiden ungewöhnliche Farben und Zusammensetzungen haben. (Monthly Notices of the Royal Astronomical Society: Letters, 018; doi: 10.1093/mnrasl/sly057)
(Royal Astronomical Society (RAS), 22.05.2018 – NPO)