Mysteriöses Ende: Seit gut 800 Jahren rätseln Historiker, an welcher Krankheit der legendäre Sultan Saladin starb – der berühmte Gegenspieler der Kreuzritter. Jetzt hat ein US-Mediziner diesen Fall neu aufgerollt und auf Basis historischer Quellen eine Diagnose erstellt. Demnach starb Saladin wahrscheinlich an Typhus, einer damals im Nahen Osten häufigen Infektion. Sie könnte die Symptome und den relativ schnellen Tod des Herrschers am ehesten erklären, so der Forscher.
Sultan Saladin war wahrscheinlich einer der berühmtesten Herrscher des Nahen Ostens. Er eroberte im Jahr 1187 Jerusalem und weitere von Kreuzfahrern besetzte Gebiete für den Islam zurück und gilt seither als der große Gegenspieler der Kreuzritter. Als Sultan von Ägypten und Syrien herrschte Saladin zudem über ein enormes Reich, das von Teilen Nordafrikas und Ägypten im Westen über die Levante bis in den Irak und nach Jemen reichte.
Rätselhafte Krankheit
Doch dem erfolgreichen Herrscher war kein langes Leben beschieden: Im Jahr 1193, nach seiner Rückkehr von Waffenstillstandsverhandlungen in Jerusalem, kehrte Saladin nach Damaskus zurück: Kurz darauf erkrankte der damals 56-jährige und schon zwei Wochen später starb er. Woran der Sultan damals litt und was seine Todesursache war, ist seither rätselhaft.
„Die Frage, was mit Saladin damals geschah, ist ein faszinierendes Puzzle“, sagt Stephen Gluckman von der University of Pennsylvania. Um es zu lösen, hat der Infektiologe verschiedenen historische Dokumente ausgewertet, in denen die Krankheit und die Symptome des Herrschers erwähnt werden. „Eine Diagnose über die Jahrhunderte hinweg zu stellen, erfordert allerdings eine Menge Vorstellungskraft“, so der Mediziner.
Über seine Ergebnisse berichtet Gluckman nun im Rahmen der Historical Clinicopathological Conference. Bei dieser Tagung steht die Diagnose historischer Krankheitsfälle im Mittelpunkt.
Fieber, Schmerzen und Verwirrtheit
Die historischen Quellen berichten, dass Saladin mehrfach in seinem Leben unter längeren Fieberattacken und Krankheitsphasen litt. Doch 1193, nach drei Jahren ohne Beschwerden, erkrankte der Herrscher erneut. „Den Schilderungen zufolge fühlte er sich alt, litt unter Appetitlosigkeit, Schwäche und Verdauungsstörungen“, berichtet Gluckman. „Er schien zudem zeitweilig verwirrt ‚wie ein Mann, der aus einem Traum erwacht‘.“
In den folgenden Tagen verschlechterte sich der Zustand Saladins. Zeitzeugen berichten über zunehmende Kopfschmerzen und Verwirrtheit. Seine Ärzte behandelten ihn mit Aderlass und versuchten das Fieber mit verschiedenen Mitteln zu senken. Doch vergeblich: „Am neunten Tag der Krankheit war er kaum bei Bewusstsein und unfähig, den Trank zu sich zu nehmen, der ihm gegeben wurde“, gibt Gluckman die aufgezeichneten Symptome wieder. Der Sultan litt zudem unter extremen Schweißausbrüchen: „Das Schwitzen war so stark, dass es durch die Matratze drang und den Boden benässte.“ Nach 14 Tagen schließlich war Saladins letzter Kampf vorüber: Er starb.
Tod durch Typhus?
Gluckmans Diagnose für den legendären Sultan: Er vermutet, dass Saladin unter Typhus litt, einer bakteriellen Infektion, die damals in dieser Region sehr verbreitet war. Die Typhus-Erreger – Bakterien der Art Salmonella enterica – werden durch kontaminiertes Wasser oder Essen übertragen. Heute kann diese Infektion gut mit Antibiotika behandelt werden. Doch im 12. Jahrhundert stand Saladins Ärzten dieses Heilmittel noch nicht zur Verfügung.
Nach Ansicht von Gluckman passen die in den historischen Aufzeichnungen geschilderten Symptome sehr gut zu den typischen Typhus-Merkmalen. Charakteristisch für die auch als typhoides Fieber bezeichnete Infektion sind hohes Fieber, schwere Bauchkrämpfe, Kopfschmerzen, Schwäche und Verwirrtheitszustände. Unbehandelt kann eine Typhusinfektion zu inneren Blutungen, Organversagen und zum Tod führen.
(University of Maryland School of Medicine, 07.05.2018 – NPO)