Biologie

Neues Riesenvirus entdeckt

Vor Hawaii aufgespürtes Virus ist bisher größter Zellparasit pflanzlicher Organismen

Tet-1-Riesenviren in einer Grünalgenzelle. Sie sind die größten Viren, die je in einem pflanzlichen Organismus entdeckt worden sind. © Christopher Schvarcz/ UH Manoa, SOEST

Ungewöhnlicher Fund: Im Ozean vor Hawaii haben Forscher bisher unbekannte Riesenviren mit außergewöhnlichen Eigenschaften entdeckt. Denn die fast bakteriengroßen Gebilde befallen nicht Amöben, wie nahezu alle bisher bekannten Riesenviren, sondern Grünalgen. Zudem tragen sie in ihrem großen Erbgut viele Gene, die bisher nur von eukaryotischen Zellen bekannt waren – darunter auffallend viele Pflanzengene.

Die meisten Viren sind winzig, besitzen keine eigene Maschinerie zur Proteinsynthese und auch ihr Erbgut ist auf das Nötigste reduziert. Doch Riesenviren sprengen diese gängigen Vorstellungen. Mimiviren, Megaviren, Pandoraviren und Klosneuviren sind fast so groß wie Bakterien, besitzen ungewöhnliche große Genome und die erst jüngst entdeckten Tupanviren tragen sogar fast den gesamten Proteinbiosynthese-Apparat. Damit lassen sie die Grenze zwischen Viren und zellulären Lebewesen mehr und mehr verschwimmen.

Riesenvirus im Algenwirt

Jetzt haben Christopher Schvarcz und seine Kollegen von der University of Hawaii in Manoa eine weitere, zuvor unbekannte Art von Riesenviren entdeckt. Aufgespürt haben sie die zur Familie der Mimiviren gehörenden Viren im Meeresgebiet vor der Insel Oahu. Mit einer Größe von bis zu 260 Nanometern sind die Tetraselmis Virus 1 (Tet-1) getauften Gebilde zwar nicht ganz so riesig wie einige der bereits bekannten Riesenviren, dafür haben sie aber einige Besonderheiten.

Eine davon: „Neun von zehn bekannten Riesenviren wurden von nur einem Typ heterotropher Wirtzellen isoliert – den Acanthamöben“, berichten die Forscher. Doch das neuentdeckte Tet-1-Virus befällt einen komplett anderen Wirt – Grünalgen der Gattung Tetraselmis. Diese begeißelten Grünalgen kommen weltweit in zahlreichen Gewässern vor und können bei Algenblüten das Wasser intensiv grün färben.

Eukaryotische Gene und Proteine

Genanalysen enthüllten zudem: Mit fast 670.000 Basenpaaren ist das Erbgut des Tet-1-Virus das größte, das je bei einem Algenvirus entdeckt worden ist. „Es ist das größte bisher sequenzierte Erbgut eines Virus, der photosynthesetreibende Lebewesen befällt“, so die Forscher. Ihren Schätzungen nach enthält das Erbgut der Tet-1-Viren mindestens 653 proteinkodierende Gene – auch das ist für ein Virus ungewöhnlich viel. Zum Vergleich: Das Hepatitis-B-Virus besitzt gerade einmal vier Gene.

Der Wirtsorganismus der Tet-1-Viren ist die weltweit verbreitete Grünalge Tetraselmis © Lydia Baker/ UH Manoa, SOEST

Angesichts dieser enormen Zahl von Genen verwundert es kaum, dass die Forscher bei Tet-1 einige Protein-Bauanleitungen entdeckten, die noch nie zuvor bei einem Virus gefunden wurden: Das Virus produziert 110 Proteine, die den Proteinen eukaryotischer Zellen verblüffend ähneln. 43 davon stimmen mit Proteinen von grünen Pflanzen und Algen überein, wie Schvarcz und seine Kollegen berichten.

Gene von den Wirtsalgen geklaut?

Diese Entdeckung könnte neuen Aufschluss darüber geben, wie solche Riesenviren entstanden sind. Denn bisher ist unklar, ob sich diese Viren aus zellulären Vorläufern entwickelten oder ob sie ihre Gene nach und nach von ihren Wirten übernommen haben. Die große Übereinstimmung zahlreicher Tet-1-Virengene mit denen ihrer Grünalgen-Wirte könnte nahelegen, dass zumindest für diese Riesenviren die zweite Variante zutrifft.

Interessant auch: Tet-1-Viren besitzen zwei Gene, die den Grünalgen dabei helfen, Perioden des Sauerstoffmangels zu überstehen – beispielsweise bei einer Algenblüte. Die Gene kodieren für zwei Fermentationsenzyme, die die Produktion von Energie aus Zucker auch in Abwesenheit von Sauerstoff ermöglichen. Doch was hat das Virus davon? Die Forscher vermuten, dass diese Schlüsselenzyme auch dem Virus dabei helfen, bei Algenblüten in seiner Wirtszelle zu überdauern.

„Wir glauben, dass diese Fermentationsgene es dem Tet-1-Virus erlauben, seine Energieproduktion auch unter sauerstoffarmen Bedingungen aufrechtzuerhalten“, erklären Schvarcz und seine Kollegen. Ob diese Annahme stimmt, wollen die Forscher nun in weiteren Experimenten mit den Riesenviren testen. „Wir müssen noch viel über dieses Virus lernen – und es ist nur ein Beispiel der Millionen von Viren, die in jedem Tropfen des Ozeans schweben, sagt sein Kollege Grieg Steward. (Virology, 2018; doi: 10.1016/j.virol.2018.03.010)

(University of Hawaii at Manoa, 04.05.2018 – NPO)

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