Physik

Verschränkung wird (fast) makroskopisch

Forscher verschränken mechanische Oszillatoren in Mikrometer-Größe

Forscher haben die Vibrationen von zwei jeweils 15 Mikrometer kleinen Metalltrommeln quantenphyiskalisch miteinander verschränkt. © Aalto University/ Petja Hyttinen und Olli Hanhirova, ARKH Architects

Größenrekord in der Quantenphysik: Physikern ist es erstmals gelungen, Objekte von fast makroskopischer Größe miteinander zu verschränken. Die beiden Forschergruppen erzeugten eine quantenphysikalische Kopplung zwischen zwei vibrierenden Objekten, die rund ein Dutzend Mikrometer groß waren. Die Verschränkung dieser mechanischen Oszillatoren verschiebt die bisherige Grenze dieses quantenphysikalischen Phänomens und eröffnet neue Anwendungen, so die Forscher im Fachmagazin „Nature“.

Albert Einstein bezeichnete das Phänomen der Verschränkung als „spukhafte Fernwirkung“. Denn diese quantenphysikalische Besonderheit erlaubt es, den Zustand von Photonen, Atomen oder Ionen miteinander zu verkoppeln – egal, wie weit diese voneinander entfernt sind. Der Zustandswechsel des einen löst dabei automatisch den des verschränkten Partnerteilchens aus. Diese Verschränkung ist die entscheidende Grundlage für zahlreiche Anwendungen der Quantenphysik, vom Quantencomputer über der Quantenkryptografie bis zu quantenphysikalischen Messmethoden.

In der Makrowelt ist Schluss – bisher

Doch bisher gab es einen Haken: Ähnlich wie die quantenphysikalische Überlagerung ließ sich auch die Verschränkung bisher nur im Reich der kleinsten Teilchen erzeugen und nachweisen, nicht aber bei makroskopischen Objekten. Der Grund: „Für Objekte im makroskopischen Maßstab ist die Verschränkung sehr sensibel gegenüber umweltbedingten Störungen“, erklären Caspar Ockeloen-Korppi von der Aalto-Universität und seine Kollegen.

Jetzt jedoch haben es gleich zwei Forschergruppen geschafft, mechanische Systeme im Mikrometer-Maßstab miteinander zu verschränken – ein Team um Ockeloen-Korppi und ein weiteres Team um Ralf Riedinger von der Universität Wien. Beide Gruppen erzeugten Oszillatoren-Paare, deren Schwingungen jeweils quantenphysikalisch miteinander gekoppelt waren. Beide Systeme umfassen Billionen von Atomen und bewegen sich damit an der Grenze zur Makrowelt.

Schwingende Mikro-Trommelfelle

Im ersten Experiment bestehen die mechanischen Oszillatoren aus dünnen Aluminiumscheibchen von rund 15 Mikrometern Durchmesser. Diese Metallmembranen schwingen wie kleine Trommelfelle auf und ab. Ockeloen-Korppi und seine Kollegen kühlten diese Mini-Trommeln bis auf nur 0,1 Grad über dem absoluten Nullpunkt herunter, um Störungen durch Molekülbewegungen zu minimieren.

„Die beiden vibrierenden Oszillatoren sind mit einem supraleitenden Mikrowellen-Schaltkreis verbunden“, erklärt Gruppenleiter Mika Sillanpää von der Aalto-Universität. Dieser erzeugt die Verschränkung beider Objekte und stabilisiert sie gleichzeitig. „Die elektromagnetischen Felder in diesem Schaltkreis dienen dazu, alle thermischen Störungen zu absorbieren, so dass nur noch die quantenmechanischen Vibrationen übrig bleiben“, so Sillanpää.

Aus dem Verhalten der Mikrowellen und den Vibrationen der Mikro-Trommeln konnten die Forscher ablesen, dass beide tatsächlich miteinander verschränkt waren – obwohl es keine direkte Verbindung zwischen beiden Oszillatoren gab. Überraschend auch: Die Verschränkung der Mikro-Trommeln hielt bis zu einer halben Stunde lang an – nach quantenphysikalischen Maßstäben ist dies eine halbe Ewigkeit.

Silizium-Balken mit verschränkter Oszillation

Im zweiten Experiment nutzten Riedinger und seine Kollegen zwei Siliziumstreifen als mechanische Oszillatoren. Die jeweils rund zehn Mikrometer langen Bälkchen waren an beiden Enden fixiert, konnten aber in der Mitte schwingen. Auch diese Oszillatoren wurden bis knapp über dem absoluten Nullpunkt heruntergekühlt. Winzige Löcher in den Siliziumbalken erlaubten es, diese über Lichtstrahlen in Schwingung zu versetzen.

Auch in diesem Aufbau beobachteten die Wissenschaftler eine Verschränkung: Die beiden 20 Zentimeter auseinanderliegenden und nicht direkt verbundenen Siliziumstreifen vibrierten in einem resonanten, gekoppelten Modus, wie die Physiker berichten. Die Kohärenzzeit der verschränkten Balkenpaare hielt dabei immerhin einige Mikrosekunden an.

Anwendungen in der Quantenkommunikation

Beide Experimente belegen, dass es durchaus möglich ist, sogar mechanische Oszillatoren an der Schwelle zur Makrowelt miteinander zu verschränken. „Diese Experimente bringen die Erforschung der Verschränkung in ganz neue Bereiche“, erklärt Andrew Armour von der University of Nottingham in einem begleitenden Kommentar. „Es wird faszinierend sein zu sehen, wie viel größer solche Experimente in den nächsten Jahrzehnten noch werden können.“

Doch schon die jetzt demonstrierten verschränkten Oszillatoren könnten praktische Anwendungen haben. Weil beispielsweise die Siliziumbalken von Riedinger und Kollegen über ein optisches Feld gekoppelt sind, eignen sie sich für den Einsatz in der optischen Datenübertragung: „Unser System kann direkt in reale faseroptische Quantennetzwerke eingefügt werden, die im konventionellen optischen Telekommunikations-Bereich arbeiten“, so die Forscher. (Nature, 2018; doi: 10.1038/s41586-018-0038-x, doi: 10.1038/s41586-018-0036-z)

(Aalto University, Nature, 27.04.2018 – NPO)

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