Elektronische Gedächtnishilfe: US-Forscher haben eine Technologie entwickelt, die beim Erinnern hilft. Das System identifiziert dafür zuerst die Hirnströme, die beim korrekten Erinnern auftreten. Diese Signale spielt es dann mittels Elektroden ins Gehirn ihres Trägers zurück. Im Experiment verbesserte diese elektronische „Prothese“ das Gedächtnis der Probanden um bis zu 37 Prozent, wie die Forscher berichten. Sie hoffen, dass dies eines Tages Demenz-Patienten helfen könnte.
Unser Gehirn ist heute trotz aller Komplexität keine „Black Box“ mehr: Über Schnittstellen zwischen Gehirn und Computer spionieren Forscher die Funktionsweise des Denkorgans aus und können sogar schon Gedanken in Form von Sprache, Bildern und Videos oder Träume auslesen. Die Tiefe Hirnstimulation greift mittels Elektroden sogar aktiv in das Gehirn ein und lindert beispielsweise Symptome bei Depression, Parkinson, Schlaganfällen oder sogar Alzheimer.
Implantierte Elektroden als Schnittstelle
Jetzt haben Robert Hampson vom Wake Forest Baptist Medical Center und seine Kollegen die bereits existierenden Techniken zum Auslesen und Eingreifen kombiniert. Auf ihrer Basis entwickelten sie ein System, das gezielt das Erinnern unterstützt und verbessert – quasi eine elektronische Gedächtnis-Prothese. „Das ist ein erster wichtiger Schritt dahin, einen Gedächtnisverlust rückgängig machen zu können“, erklärt Hampson.
An ihrer Pilotstudie nahmen Epilepsiepatienten teil, denen im Rahmen ihrer Behandlung Elektroden ins Gehirn eingepflanzt worden waren. Diese sollten helfen, die Anfallsherde im Gehirn zu lokalisieren. Bei acht dieser Patienten saßen die Elektroden in der Nähe des Hippocampus, dem Gedächtniszentrum des Gehirns. Dies ermöglichte es den Forschern, bei ihnen sehr präzise die Hirnaktivität abzuleiten, die beim Merken und Erinnern auftrat.
Erinnerungs-Signale ausgelesen und eingespielt
Und so funktioniert die Gedächtnis-„Prothese“: Im ersten Schritt zeigten die Forscher den Patienten ein einfaches Bild, das dann unter drei oder vier weiteren Bildern wiedererkannt werden sollte. Bei jeder korrekten Antwort zeichnete ein Computer die neuronalen Signale auf, die im Hippocampus auftraten. Mithilfe eines speziellen Programms isolierten die Wissenschaftler dieses „Erinnerungs-Signal“.
Dann folgte der eigentliche Test: Die Probanden sollten nun erneut die Bilder wiederkennen. Diesmal jedoch spielten die Forscher ihnen währenddessen das „Erinnerungs-Signal“ über die Elektroden ins Gehirn zurück. Das Ergebnis: Mit dieser elektronischen Erinnerungshilfe schnitten die Teilnehmer 37 Prozent besser ab, wie die Forscher berichten. Bei einem zweiten Test mit komplexeren Bildern und längeren Pausen verbesserte sich das Gedächtnis um 35 Prozent.
Hoffnung für Demenzpatienten?
„Dies ist das erste Mal, dass man das Gedächtnismuster eines Patienten identifiziert und dann diesen Code ins Gehirn zurückgeschrieben hat“, sagt Hampson. „Wir haben gezeigt, dass wir den Gedächtnisinhalt auslesen, ihn verstärken und dann zurückspielen können – und dass dies das Gedächtnis verbessert.“ Im Prinzip ist diese Schnittstelle zwischen Computer und Gehirn damit eine Art Gedächtnis-Schrittmacher.
Anwendungen für ein solches System sehen die Forscher vor allem bei Demenzpatienten: „Selbst wenn das Gedächtnis einer Person gelitten hat, kann man die neuronalen Signalmuster identifizieren, die korrekte Erinnerungen anzeigen“, erklärt Hampson. „Wir können diese Signale dann zurückspielen und so dem Gehirn des Patienten dabei helfen, neue Erinnerungen zu bilden. Wir hoffen, damit Demenzpatienten zu helfen, konkrete Erinnerungen festzuhalten, wie beispielsweise wo sie wohnen oder wie ihre Enkel aussehen.“
Zuvor allerdings muss der „Gedächtnis-Schrittmacher“ noch ausführlicher auf seine Sicherheit und Funktionsfähigkeit getestet werden. Bisher ist die Technologie zudem noch auf implantierte Elektroden angewiesen – eine riskante und aufwändige Methode. Doch erste Versuche mit nichtinvasiven Hirnschrittmachern gegen Parkinson machen Hoffnung, dass technische Fortschritte künftig ein Auslesen und Einspielen von Hirnströmen auch von außen ermöglichen könnten. (Journal of Neural Engineering, 2018)
(Wake Forest Baptist Medical Center, 28.03.2018 – NPO)