Von innen gesprengt: Warum explodieren einige Meteore in der Luft und hinterlassen dabei kaum Fragmente? Ein zuvor unerkannter Mechanismus könnte dieses Verhalten nun erklären – und damit auch Ereignisse wie Tscheljabinsk oder sogar Tunguska. Gerade poröse Meteore werden demnach nicht durch die Reibung der Atmosphäre zerstört, sondern von innen gesprengt, wie US-Forscher herausgefunden haben.
Unsere Erde wird immer wieder von kosmischen Geschossen getroffen – Brocken aus Eisen oder Gestein, die als glühende Meteore und Meteoriten durch die Atmosphäre rasen. Einige von ihnen schlagen ein und hinterlassen Krater und Meteoritenfragmente. Andere dagegen explodieren noch in der Luft, wie beispielsweise beim Tunguska-Ereignis im Jahr 1908, dem Annama-Feuerball, der 2015 über Russland zerplatzte oder dem Tscheljabinsk-Meteor, der im Februar 2013 über der gleichnamigen russischen Stadt explodierte.
Das Rätsel der fehlenden Fragmente
Doch warum schaffen es solche Meteore nicht bis zur Erdoberfläche? Warum explodieren sie noch in der Luft? „Da steckt mehr dahinter, als wir vorher angenommen haben“, erklärt der Geophysiker Jay Melosh von der Purdue University. Er und seine Kollegen haben das Rätsel der Meteor-Explosionen am Beispiel des Tscheljabinsk-Meteors nun genauer untersucht.
Sie fütterten dafür ein physikalisches Modell mit den Daten des Ereignisses. Bekannt ist, dass der knapp 20 Meter große Meteor in 30 bis 40 Kilometern Höhe explodierte. Von den rund 10.000 Tonnen Gesteinsmaterial, die der Brocken zuvor umfasste, wurde jedoch bisher nur ein Bruchteil geborgen. Die Forscher schätzen, dass nur 0,1 Prozent seiner Masse die Erdoberfläche erreichte. Der Rest muss in so kleine Fragmente zersprengt worden sein, dass sie nicht mehr auffindbar sind,
Fliegende Geröllhaufen
Aber wie? „Wir glauben, dass diese intensive Fragmentierung durch einen zuvor unerkannten Mechanismus verursacht worden sein muss“, sagen Melosh und seine Kollegen. Ihr Verdacht: Möglicherweise spielt die Konsistenz des Meteors dafür eine entscheidende Rolle. „Astronomische Studien zeigen, dass die Dichte vieler Asteroiden überraschend gering ist: Sie können eine Porosität von 20 Prozent und mehr besitzen“, berichten die Forscher.
Das aber bedeutet, dass solche Asteroiden eher einem fliegenden Geröllhaufen ähneln als einem kompakten Brocken. Ihr Inneres ist von unzähligen Rissen und Hohlräumen durchzogen. Um herauszufinden, wie dies die Stabilität dieser Brocken beim Flug durch die Erdatmosphäre beeinflusst, variierten die Forscher im Modell gezielt die Porosität und Permeabilität der Meteore.
Von innen auseinander gesprengt
Und tatsächlich: Ist ein Meteor eher porös, unterschiedet sich sein Verhalten in der Atmosphäre deutlich von dem kompakterer Brocken. Zwar bildet sich vor beiden eine Art Bugwelle aus heißer, komprimierter Luft. Während diese jedoch bei kompakten Brocken an den Seiten vorbeiströmt, dringt diese heiße Luft bei porösen Meteoren tief in deren Inneres ein.
„Es gibt dabei einen großen Gradienten zwischen der unter Hochdruck stehenden Luft vor dem Meteor und dem starken Unterdruck dahinter“, erklärt Melosh. Dieses Druckgefälle saugt die Luft förmlich in die Risse und Poren des Meteors hinein – mit fataler Folge: Durch diesen plötzlichen Druckanstieg im Inneren wird der Meteor förmlich auseinander gesprengt.
Zuvor übersehener Mechanismus
Die Simulationen ergaben, dass die Permeabilität des Meteors dabei bestimmt, wie stark sich der Brocken beim Atmosphärenflug verformt – im Extremfall kann er sich so stark abflachen, dass er einem Pfannkuchen gleicht, wie die Forscher erklären. Die Porosität des Meteors bestimmt dagegen, wie weit die Fragmente auseinander gesprengt werden und in welcher Höhe die Explosion geschieht: Je poröser das Material, desto kleiner und weit verteilter sind die Trümmerstücke.
„Damit haben wir einen bisher übersehenen Mechanismus entdeckt, der beim Eintritt und Zerbrechen von Meteoroiden in die Atmosphäre eine wichtige Rolle spielt“, konstatieren Melosh und seine Kollegen. Dieses Explodieren von innen könnte erklären, warum kosmische Boliden wie bei Tscheljabinsk oder auch Tunguska heftiger und schneller explodiert sind als erwartet. (Meteoritics & Planetary Science, 2017; doi: 10.1111/maps.13034)
(American Geophysical Union / Purdue University, 13.12.2017 – NPO)