Überraschungen vom Gasriesen: Schon die ersten Daten der NASA-Raumsonde Juno zeigen den Jupiter in ganz neuem Licht. Denn das Magnetfeld, die Gasströme und auch die Polarlichter des Gasriesen sind ganz anders als erwartet. So wirbeln in den Polarregionen des Jupiter gigantische Stürme durcheinander, statt eine geordnete Ringströmung zu bilden. Am Äquator des Planeten bildet Ammoniak zudem gewaltige Aufströme, statt wie bisher angenommen eher gleichmäßig verteilt zu sein.
Der Jupiter ist einzigartig: Kein anderer Planet ist so groß, dreht sich so schnell oder erzeugt so gewaltige Stürme. Gleichzeitig jedoch gibt der Jupiter so viele Rätsel auf wie kaum ein anderer Planet. So sind die Struktur seiner Atmosphäre, seine Polarregionen und auch sein Magnetfeld – das größte im gesamten Sonnensystem – bisher erst in Ansätzen erforscht.
„Atemberaubend anders“
Doch jetzt liefert die NASA-Raumsonde Juno erstmals neue Informationen. Sie umkreist den Jupiter seit 4. Juli 2016 auf einem exzentrischen, polaren Orbit und absolvierte am 27. August 2016 den ersten ihrer 22 nahen Vorbeiflüge. Dabei passiert sie die Wolkenspitzen des Planeten in weniger als 5.000 Kilometern Entfernung.
Die Daten und Aufnahmen der ersten Passagen haben zwei internationale Forscherteams nun ausgewertet und vorgestellt. „Was wir bisher über Jupiter gelernt haben, ist umwerfend“, sagt Juno-Chefwissenschaftler Scott Bolton vom Southwest Research Institute. „Die neuen Entdeckungen über das Innere, seine Zusammensetzung, die Magnetosphäre und seine Pole sind ebenso erstaunlich wie die Bilder, die die Mission uns liefert.“
Gigantische Wirbel statt Sturmbänder
Für Überraschung sorgen die ersten Aufnahmen der Polarregionen des Jupiter. Denn sie zeigen, dass sich dort die regelmäßigen, um den Planeten ziehenden Windbänder vollkommen auflösen. Stattdessen sieht man riesige Sturmwirbel, die wie gigantische Flecken und Spiralen hell aus dunklem, bläulichen Hintergrund scheinen. Die Wirbelstürme erreichen in der Nordpolarregion bis zu 1.400 Kilometer Durchmesser und am Südpol bis zu 1.000 Kilometer.
„Wir rätseln noch, wie diese Stürme sich bilden konnten, wie stabil sie sind und warum sie am Nordpol anders aussehen als am Südpol“, sagt Bolton. „Wir fragen uns auch, ob dies ein dynamisches System ist und die einzelnen Stürme im nächsten Jahr schon wieder verschwunden sind und ob sie wohl umeinander kreisen.“
Kein Hexagon
Für Verblüffung sorgt auch, dass die Jupiter-Polargebiete so anders aussehen als die des Saturn. Während der Saturn ausgeprägte Ringströmungen an den Polen besitzt und am Nordpol sogar einen auffallend sechseckigen Jetstream, das sogenannte Hexagon, fehlt all dies beim Jupiter. Juno konnte kein auch nur ansatzweise ähnliches Windmuster finden.
„Demnach sind die polare Dynamik und die Atmosphärenstruktur dieser beiden Planeten fundamental verschieden“, sagt Bolton. Ebenfalls ungewöhnlich ist eine rund 7.000 Kilometer große, weit über die Wolkendecke der Nordpolarregion ragende Wolke. Sie ist so hoch, dass sie in einer Aufnahme der Nachtseite von hinten hell angestrahlt erscheint. „Bisher kann Juno nicht feststellen, ob es sich dabei um einen abgelösten Höhennebel handelt oder um eine Wolkensäule, deren Basis im Schatten liegt“, erklären die Forscher.
Riesensäulen aus Ammoniak
Unerwartet waren auch die Daten, die die thermischen Messungen der Juno-Sonde lieferten. Denn sie zeigen, dass die Gasströme unter der Wolkendecke anders verteilt sind als gedacht. Statt eines weitgehend gleichförmigen „Ammoniakmeeres“ bildet das Gas am Äquator eine säulenförmige Aufströmung, die sich wie ein Ring um den Planeten zieht.
Wie die Forscher erklären, ähnelt diese Ammoniak-Zirkulation verblüffend den irdischen Hadley-Zellen – Luftströmungen, die am Äquator warmfeuchte Luft in die Höhe transportieren und sie als kalte, trockene Luft entlang der Wendekreise wieder absinken lassen. „Die Struktur gleicht einer Hadley-Zelle ohne Regen“, so die Wissenschaftler.
Klumpiges und verblüffend starkes Magnetfeld
Überraschungen gab es ebenfalls beim Magnetfeld und den Polarlichtern des Gasriesen: Die Juno-Daten enthüllen, dass das Jupiter-Magnetfeld fast doppelt so stark ist wie erwartet – rund 7766 Gauss. „Wir sehen zudem, dass das Magnetfeld klumpig erscheint: An einigen Stellen ist es stärker als an anderen“, berichtet John Connerney vom Goddard Space Flight Center in Greenbelt.
Nach Ansicht der Forscher könnte dies darauf hindeuten, dass der Dynamo für das Magnetfeld beim Gasriesen weniger tief im Inneren liegt als bei der Erde. „Das Feld könnte näher an der Oberfläche, über einer Schicht aus metalischem Wasserstoff erzeugt werden“, mutmaßt Connerney.
Polarlichter mit anderem Motor?
Die Raumsonde Juno hat auch erste Bilder der jovianischen Südpolarlichter geliefert – von der Erde aus sind sie nicht sichtbar. Die Aufnahmen und Messdaten enthüllen, dass diese Auroren nur auf den ersten Blick denen der Erde ähneln. „Es scheint, dass hier ganz andere Prozesse am Werk sind, um diese Polarlichter zu erzeugen“, sagt Phil Valek vom Southwest Research Institute. „Die energiereichen Teilchen dieser Auroren verhalten sich anders als auf der Erde.“
Insgesamt haben die ersten Juno-Daten damit weitaus mehr unerwartete Erkenntnisse zum Jupiter geliefert als zuvor gedacht. „Schon diese ersten Entdeckungen helfen uns besser zu verstehen, was den Jupiter so faszinierend und einzigartig macht“, sagt Diane Brown von der NASA. „Es war ein langer Flug zum Jupiter, aber diese ersten Ergebnisse demonstrieren bereits, dass es die Reise wert war.“ (Science, 2017; doi: 10.1126/science.aal2108; doi: 10.1126/science.aam5928)
(NASA/ SwRI, 26.05.2017 – NPO)