Lebensader im Ausnahmezustand: Der Klimawandel macht die Pegel des Nils immer unberechenbarer. Die jährlichen Schwankungen der Wassermenge könnten schon in den nächsten Jahrzehnten um 50 Prozent stärker werden, wie Klimaforscher im Fachmagazin „Nature Climate Change“ berichten. Dies erschwert die Wasserversorgung für die Millionen Flussanrainer, die auf den Nil und seine Quellflüsse angewiesen sind.
Der Nil ist nicht nur der längste Fluss der Erde, er ist auch die wichtigste Lebensader für Ägypten, und seine südlichen Nachbarn. „Das Nilbecken wird von rund 400 Millionen Menschen in elf Ländern bewohnt“, erklären Mohamed Siam und Elfatih Eltahir vom Massachusetts Institute of Technology (MIT) in Cambridge. Ein Großteil der Wirtschaft in diesen Ländern hängt direkt von der Bewässerungs-Landwirtschaft ab – und damit vom Wasser des Nils.
Das Wasser wird knapp
Das Problem: Schon jetzt reicht das Nilwasser nur knapp für alle Anrainer – und sie werden immer mehr. „Bis 2050 könnte sich die Zahl der Menschen im Nilbecken verdoppeln – auf knapp eine Milliarde Menschen“, berichten Siam und Eltahir. „Kommen nun noch Veränderungen durch den Klimawandel hinzu, könnte dies die ohnehin kritische Situation noch weiter verschärfen.“
Studien zufolge könnte der Hälfte aller Länder entlang des Nils bis 2030 eine Wasserknappheit drohen. Schon jetzt gibt es zudem zwischen den Anrainerstaaten Konflikte und Streit um die Wasserrechte – unter anderem wegen eines großen Staudamms, den Äthiopien am Blauen Nil, einem der Hauptquellflüsse des Nils bauen will.
Blick auf die Nil-Zuflüsse
Wie sich die Pegel des Nils in Zukunft verändern könnte, haben nun Siam und Eltahir anhand von Messdaten und Klimamodellen ermittelt. Der Schwerpunkt ihrer Studie lag dabei auf den drei östlichen Quellflüssen, die zusammen 80 Prozent des Nilwassers liefern, dem Blauen Nil, dem Sobat und dem Atbara.
Die Wassermenge dieser Flüsse schwankt schon jetzt stark saisonal, zeigt aber auch zunehmende Variationen von Jahr zu Jahr. Auch Klimaphänomene wie der El Nino beeinflussen, wie viel Wasser die Quellflüsse und damit auch der Nil führen. So führte der starke El Nino des Jahres 2015 zu einer Dürre in Äthiopien, die auch die Pegel des Blauen Nils stark sinken ließ.
Klimawandel und El Nino schuld
Die Modelle ergaben: In Zukunft werden sich die jährlichen Schwankungen der Nilpegel erheblich verstärken. Der Nil wird damit unberechenbarer, so die Forscher. Ihren Prognosen nach könnte sich die interannuelle Variation bereits bis zum Jahr 2040 um 50 Prozent erhöhen. Zwar könnten auch die Wassermengen insgesamt leicht steigen, doch durch die starken Schwankungen wird für die Flussanrainer nur noch schwer vorhersehbar sein, ob Hochwasser oder Wassermangel droht.
Hauptursache für das künftige, unberechenbarere Verhalten des Nils ist die durch den Klimawandel zunehmende Häufigkeit von El Nino- und La Nina-Ereignissen, wie die Forscher erklären. Den Prognosen zufolge könnte künftig ein besonders extremer El Nino alle zehn Jahre statt wie bisher nur alle 20 Jahre auftreten.
Problem für die Nil-Staudämme
Ein großes Problem könnten die künftigen Pegelschwankungen auch für die Staudämme entlang des Nils und seiner Zuflüsse werden. Denn ihre Rückhaltebecken müssen diese Schwankungen der Flusspegel auffangen und entsprechende Kapazitäten besitzen, wie die Forscher erklären. Gleichzeitig muss beispielsweise im Falle eines Wassermangels sichergestellt werden, dass flussabwärts liegende Anrainerstaaten trotzdem noch genügend Wasser bekommen.
Internationale Konflikte rund um das Wasser des Nils und seiner Zuflüsse können sich daher in Zukunft noch verstärken. Ein Beispiel ist der zurzeit im Bau befindliche Grand Ethiopian Renaissance Dam am Blauen Nil: Schon jetzt herrscht zwischen Ägypten, dem Sudan und Äthiopien Streit darüber, wie viel Wasser durch den Damm zurückgehalten werden darf.
„Die Erkenntnisse von Siam und Eltahir kommen wahrscheinlich zu spät, um die Planung des Damms noch zu verändern“, kommentiert Declan Conway von der London School of Economics. „Aber sie haben große Bedeutung für das Füllen und die künftigen Management-Strategien an diesem Damm.“ (Nature Climate Change, 2017; doi: 10.1038/nclimate3273)
(Nature, 25.04.2017 – NPO)