Medizin

Doppelschlag gegen Bakterien und Viren

Wirkstoff hemmt Aids-Erreger und resistente MRSA-Bakterien zugleich

Das Bakterium Staphylococcus aureus (rot) bildet häufig Resistenzen gegen Antibiotika. Es ist besonders für Patienten gefährlich, die bereits unter einer Infektion mit dem Aids-Erreger HIV leiden. © HZI/ M. Rohde

Zwei auf einen Streich: Forscher haben eine Substanzklasse entdeckt, die sowohl gegen das Aids-Virus als auch gegen multiresistente MRSA-Bakterien wirkt. Die dualen Wirkstoffe hemmen Enzyme, die für die Vermehrung der Viren und der Bakterien notwendig sind. Damit könnten diese Erreger künftig mit einem einzigen Medikament bekämpft werden, so die Hoffnung der Forscher.

Rund 37 Millionen Menschen weltweit sind mit HIV infiziert, allein im Jahr 2014 starben 1,2 Millionen daran. Zwar lässt sich die Vermehrung des Aids-Erregers und das Fortschreiten der Krankheit durch eine Kombinationstherapie aufhalten, doch die HI-Viren entwickeln zunehmend Resistenzen und sprechen nicht mehr auf die eingesetzten Medikamente an.

Das Resistenz-Problem

Ähnlich hartnäckig zeigen sich die berüchtigten MRSA-Bakterien, methicillinresistente Staphylococcus aureus-Stämme, die inzwischen gegen viele gängige Antibiotika resistent sind. Gerade HIV-Patienten, deren Immunsystem durch ihre Krankheit geschwächt ist, werden vielfach noch zusätzlich von MRSA-Keimen befallen. Solche sogenannten Koinfektionen sind äußerst problematisch und schwierig zu behandeln.

„Sowohl bei den Viren als auch bei den MRSA-Bakterien sind Resistenzen gegen die gängigen Therapien verbreitet – das macht es besonders kompliziert, die Koinfektion in den Griff zu bekommen“, erklärt Rolf Hartmann vom Helmholtz-Institut für Pharmazeutische Forschung Saarland (HIPS). „Zudem muss man genau auf die Wechselwirkungen zwischen den verabreichten Medikamenten achten.“

Dualer Angriff

Hier könnten die Ureidothiophen-Carbonsäuren Abhilfe schaffen. Denn einige Vertreter dieser Molekülklasse können die Vermehrung sowohl von HIV als auch von MRSA effektiv blockieren, wie die Forscher herausfanden. „Bisher bekannte resistente Stämme – sowohl bei den Viren als auch bei den Bakterien – sind empfindlich gegen unsere dualen Wirkstoffe“, erklärt Walid Elgaher vom HIPS. „Eine schädliche Wirkung auf menschliche Zellen konnten wir bislang nicht feststellen.“

Viren und Bakterien sind zwar biochemisch sehr unterschiedlich, dennoch lässt sich die Wirkung auf beide durch ein Molekül schlüssig erklären. Sowohl die HI-Viren als auch die Bakterien benutzen für Wachstum und Vermehrung bestimmte Enzyme, um ihre Erbinformation auszulesen und von einer Codierung in eine andere zu übertragen. Die entsprechenden Enzyme – Eiweißmoleküle mit katalytischer Wirkung – sind sich in Funktion und Aufbau ähnlich.

Oberflächenstruktur der reversen Transkriptase von HIV-1 - an ihr setzt der neue Wirkstoff an. © Thomas Splettstoesser / CC-by-sa 3.0

Ansatz an entscheidenden Enzymen

Bei den Bakterien übersetzt das Enzym RNA-Polymerase die Erbinformation von Desoxyribonucleinsäure (DNA) in Ribonucleinsäure (RNA), die dann wiederum die Produktion bestimmter Proteine ermöglicht. Der Aids-Erreger HIV benötigt für seinen Lebenszyklus das Enzym Reverse Transkriptase, das RNA in DNA umwandeln kann. Der Clou daran: Beide Enzyme besitzen einander ähnliche Bindungsstellen.

„Wir haben mehrere Substanzen entwickelt, die die RNA-Polymerase von Bakterien wie den MRSA hemmen können“, erklärt HZI-Forscher Jörg Haupenthal. „Diese haben wir dann weiter optimiert, sodass sie auch an die sehr ähnlichen Bindungsstellen der HI-Viren andocken und sie dadurch blockieren.“

Die Wissenschaftler hoffen, dass sich ihre Entdeckung künftig einmal für die klinische Anwendung nutzen lässt. „Dazu muss allerdings sorgfältig geklärt werden, ob die Substanzen auch in der Zelle und letztlich im menschlichen Patienten wirksam sind und ob sie nicht doch unerwünschte Nebenwirkungen haben“, erklärt Hartmann. „Das erfordert umfangreiche Studien und Entwicklungsarbeiten.“ (Journal of Medical Chemistry, 2016; doi: 10.1021/acs.jmedchem.6b00730)

(Helmholtz-Zentrum für Infektionsforschung, 12.07.2016 – NPO)

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