So scharf wie nie zuvor: Astronomen haben die bisher genaueste Karte der Wasserstoff-Verteilung in unserer Milchstraße erstellt. Sie entstand in fünfjähriger Durchmusterung des Nordhimmels mit dem 100-Meter Radioteleskop in Effelsberg. 30-fach schärfer als zuvor lässt sich nun erkennen, wo und in welcher Dichte interstellarer Wasserstoff in der Milchstraße vorhanden ist. Das wiederum gibt Einblick in die Sternenbildung und die Entwicklung der Galaxie.
Wasserstoff ist das einfachste und mit Abstand häufigste Element im Universum. Er ist der Treibstoff für die Kernfusion im Inneren von Sternen und findet sich in dem gewaltigen Netz aus kosmischen Gasfilamenten, die unser Universum durchziehen. Die räumliche Verteilung des atomaren Wasserstoffs im Weltraum verrät daher einiges über die Entstehung der Sterne und die Dynamik und Entwicklung von Galaxien.
Die Verteilung des Wasserstoffs in unserer Milchstraße war bisher jedoch nur grob bekannt, denn die letzte Kartierung ist mehr als 20 Jahre her. Mit dem damals eingesetzten 25-Meter Teleskop konnte der Himmel nur grob gerastert aufgezeichnet werden. Das jedoch hat sich nun geändert. Im Rahmen des Effelsberg-Bonn HI Survey (EBHIS) haben Astronomen nun die Wasserstoff-Verteilung des Nordhimmels mit bisher unerreichter Genauigkeit kartiert.
Fahndung nach der 21-Zentimeter-Linie
Die Astronomen nutzten für die Erstellung ihrer neuen Wasserstoffkarte das 100-Meter Radioteleskop in Effelsberg in der Eifel. Mit ihm durchmusterten sie in den vergangenen fünf Jahren den gesamten Nordhimmel auf die 21-Zentimeter Spektrallinie hin – diese charakteristische Linie wird im Spektrum erzeugt, wenn Licht im Weltraum auf neutralen Wasserstoff trifft.
Durch sieben unabhängig voneinander arbeitenden Empfangselementen ließ sich die erforderliche Beobachtungszeit um beinahe eine Größenordnung reduzieren, von mehreren Jahrzehnten hinunter auf nur noch fünf Jahre. Doch die Datenmenge ist enorm: Pro Sekunde entstehen durch die Aufzeichnung der Spektren mehrere Megabyte an Daten. Mit Hilfe von Hochleistungsrechnern setzen die Forscher die Einzelspektren zu einer einzigartigen Karte des gesamten Nordhimmels zusammen.
30-Mal schärfer als zuvor
„Es handelt sich dabei um das bislang schärfste Bild unserer Milchstraße“, sagt Jürgen Kerp vom Argelander-Institut für Astronomie der Universität Bonn. Die neue Karte ist 30-fach schärfer als die alte, vor 20 Jahre erstellte. „Zum Vergleich: Wenn man zuvor von einem Heißluftballon auf ein Fußballstadion herunterblickte, konnte man anhand der verschiedenen Farben die Fanblöcke erkennen. Jetzt sehen wir die einzelnen Menschen.“
Anhand der neuen Wasserstoff-Karte lässt sich nun zum Beispiel genau beobachten, wie sich aus dem Wasserstoffgas einzelne Sternentstehungs-Regionen herausbilden. Aber auch die Genauigkeit von Entfernungsmessungen in der Milchstraße hängt davon ab, wie exakt die Dichte der interstellaren Materie bestimmt ist. Denn sie schluckt einen Teil des Lichts ferner Sterne. „Wer die räumliche Verteilung des Wasserstoffs kennt, kann auch viel genauer auf die tatsächliche Leuchtkraft eines Sterns schließen“, sagt Kerp.
Grundlage für neue Erkenntnisse
Zusätzlich zu den jetzt veröffentlichten Daten für die Milchstraße gibt der Wasserstoff-Survey EBHIS einzigartige Informationen auch über den neutralen Wasserstoff in anderen Galaxien bis zu einer Entfernung von etwa 750 Millionen Lichtjahren. Die Astronomen erwarten, dass diese Daten in den nächsten Jahren einige neue Erkenntnisse bringen werden. Die neuen Wasserstoff-Daten stehen daher Wissenschaftlern auf der ganzen Welt zur Verfügung.
Auch das Square Kilometer Array (SKA), das für die Zukunft geplante weltweit größte Radioastronomieprojekt, wird direkt von den EBHIS-Daten profitieren. Denn die aus einzelnen Radioteleskopen zusammengeschaltete Riesenanlage ist unempfindlich für die schwache und ausgedehnte Wasserstoff-Strahlung von der Milchstraße und benachbarten Galaxien. Durch die Kombination der Daten von EBHIS und dem SKA wird es ermöglichen, ein umfassendes Bild des interstellaren Wasserstoffgases zu liefern. (Astronomy & Astrophysics, 2015; doi: 10.1051/0004-6361/201527007)
(Universität Bonn / Max-Planck-Institut für Radioastronomie, 16.12.2015 – NPO)