Klima

Klimawandel: US-Inseln gehen unter

Tangier Islands in der Chesapeake Bay haben bereits zwei Drittel ihrer Landfläche verloren

Blick auf die Hauptinsel der Tangier Islands - schon jetzt mehr Wasser als Land. © US Army Corps of Engineers, David Schulte

Land unter: Vor den Toren von Washington DC bekommt die USA den Klimawandel hautnah zu spüren: Die Tangier Inseln in der Chesapeake Bay haben seit 1850 bereits zwei Drittel ihrer Landfläche verloren, wie Forscher im Fachmagazin „Scientific Reports“ berichten. Schon in 50 Jahren könnten Meeresspiegelanstieg und Stürme die Inseln unbewohnbar machen und in 100 Jahren sind die Tangier Islands wahrscheinlich komplett im Meer versunken.

Während sich der Klimagipfel in Paris seinem Abschluss nähert, bekommt man anderswo den Klimawandel hautnah zu spüren. So ist der Meeresspiegel seit 1901 im Durchschnitt bereits knapp 19 Zentimeter angestiegen, gleichzeitig werden in vielen Regionen die Gezeiten extremer. Für flache Küstengebiete und die entlang der Küsten liegenden Ballungsräume hat dies fatale Folgen.

Flache Inseln in der Chesapeake Bay

Wie David Schulte und seine Kollegen vom US Army Corps of Engineers nun belegen, zeigen sich die konkreten Auswirkungen nicht nur in Bangladesch oder den Südseeatollen, sondern auch in einem der reichsten Länder der westlichen Welt: den USA. Betroffen sind hier die Tangier Islands, eine Inselgruppe inmitten der Chesapeake Bay, rund 150 Kilometer südlich von Washington DC.

Landfläche der Tangier Islands 1850 (grün) und im Jahr 2013 (rot) © Schulte et al., Scientific Reports/ CC-by-sa 4.0

Die Tangier Islands sind extrem flach, selbst der Ort Tangier liegt weniger als 1,50 Meter über dem Meeresspiegel. Um die gut 700 Bewohner der Inseln zu schützen, wurde schon in den 1980er Jahren ein Seewall aus Stein vor dem Flughafen der Hauptinsel errichtet. Wie sich die Landfläche der Inseln von 1850 bis 2013 entwickelt hat und wie die Zukunft dieser Inseln aussieht, haben Schulte und seine Kollegen nun anhand historischer Karten, Luftbilder und mittels Klimamodellen ermittelt.

Zwei Drittel sind schon verloren

Das Ergebnis: Seit 1850 haben die Tangier Islands 66,8 Prozent ihrer einstigen Landfläche verloren. „Es ergibt sich ein Verlust von 3,41 Hektar Land pro Jahr“, berichten Schulte und seine Kollegen. Schuld daran ist ihren Ergebnissen nach eine Kombination aus verstärkter Erosion durch Stürme und dem in der südlichen Chesapeake Bay besonders starken Meeresspiegelanstieg.

Und geht der Trend weiter, droht den Bewohnern der Inseln schon bald der Untergang: „Setzen sich die historischen Raten von Landverlust und Meeresspiegelanstieg fort, dann werden die Inseln bis 2106 überschwemmt sein, wahrscheinlich sogar schon um 2070“, so die Forscher. Das gelte selbst bei einem eher konservativ angesetzten Meeresspiegelanstieg. „Gehen wir von einem höheren Anstieg aus, werden die Inseln noch schneller aufgegeben werden müssen.“

Die Stadt Tangier liegt auf zwei noch verbliebenen Erhebungen zusammengedrängt © US Army Corps of Engineers/ David Schulte

„Uns läuft die Zeit davon“

Als erste wird den Prognosen nach Goose Island untergehen, die kleinste der Inseln. Sie könnte schon bis zum Jahr 2038 völlig unter Wasser liegen, wie die Wissenschaftler berichten. Ab 2063 wird die etwas größere Insel Uppards weitgehend überschwemmt sein – und damit das Ende der Hauptinsel Tangier noch beschleunigen. „Tangier wird absinken und von sich erweiternden Gezeitenkanälen in drei Teile gespalten werden“, prognostizieren Schulte und seine Kollegen. „Die Stadt Tangier wird wahrscheinlich schon in weniger als 50 Jahren unbewohnbar werden.“

„Den Tangier Islands und der Stadt Tangier läuft die Zeit davon“, warnen die Forscher. „Wenn nichts getan wird, könnten die Bürger von Tangier zu den ersten Klimawandel-Flüchtlingen aus den kontinentalen USA werden.“ Das Land verliere dann nicht nur ein wertvollen Lebensraum für Seevögel und andere Tiere, mit der kulturell einzigartigen Stadt Tangier verschwinde dann auch die letzte vor der Küste liegende Fischer-Gemeinschaft der Chesapeake Bay.

Um den Untergang wenigstens abzubremsen, schlagen Schulte und seine Kollegen vor, vor den Inseln ein mehrteiliges System von Wellenbrechern zu errichten. Diese könnten die besonders gefährdeten Westküsten der Inseln vor der Erosion durch Stürme und Sturmfluten schützen. Außerdem könnten Aufschüttungen besonders flacher Gebiete und das gezielte Bepflanzen von Bodenwellen das Wasser aufhalten. „Der Klimawandel ist bei uns angekommen und wir müssen erkennen, dass die Anpassung an den Klimawandel nicht mehr optional ist“, betonen die Forscher. (Scientific Reports, 2015; doi: 10.1038/srep17890)

(Nature, 11.12.2015 – NPO)

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