Biologie

Blaue Vogelspinnen geben Forschern Rätsel auf

Obwohl Dutzende Arten eine leuchtende Blaufärbung tragen, sind sie selbst dafür blind

Ftonansicht der Vogelspinne Poecilotheria metallica, deutlich sind die blauen Beine zu erkennen. © Michael Kern, www.thegardensofeden.org

Adressat unbekannt: Die auffallend blaue Farbe vieler Vogelspinnen entpuppt sich als echtes Rätsel der Natur. Denn die Spinnen können diese Farbe selber gar nicht wahrnehmen, als Signal für potenzielle Sexpartner oder Rivalen taugt sie daher nicht. Seltsam auch: Obwohl die blaue Strukturfarbe bei den Vogelspinnen auf verschiedene Weise erzeugt wird, leuchtet sie bei allen in genau demselben Blauton. Warum, und für wen dieses Farbsignal bestimmt ist, ist unbekannt, wie Forscher im Fachmagazin „Science Advances“ berichten.

Im Tierreich herrscht an leuchtenden Farben kein Mangel, häufig entsteht das bunte Farbenspiel dabei sogar ganz ohne Pigmente – allein durch lichtbrechende Nanostrukturen. Besonders auffällig sind beispielsweise die irisierenden Strukturfarben von Schmetterlingen, Beeren oder Meereskrebsen. Und sogar einige Dinosaurier nutzten bereits solche Nanostrukturen, um ihre Federn zum Schillern zu bringen.

Doch es gibt noch eine Tiergruppe, die auf leuchtendes Farbenspiel setzt: Vogelspinnen. In allen sieben Unterfamilien und den meisten Gattungen kommen Varianten vor, deren Beine und Hinterkörper blau gefärbt sind. Wie diese Färbung zustande kommt, wozu sie dient und wie groß das Farbspektrum innerhalb der Vogelspinnen ist, war bisher jedoch nur teilweise bekannt. Bor-Kai Hsiung von der University of Akron in Ohio und seine Kollegen haben daher nun erstmals die Färbung von Vogelspinnen aus 53 Gattungen untersucht.

Rückenansicht einer Vogelspinne der Art Poecilotheria metallica und unten die Vergößerung eines ihrer Farbhaare. © Tom Pattersonl, Hsiung et al. / UC San Diego

Eine Farbe – viele Strukturen

Die erste Überraschung: Die blaue Farbe wird bei den Vogelspinnen nicht durch eine einheitliche Nanostruktur hervorgerufen, sondern durch mindestens drei ganz verschiedene Lösungen, wie die Forscher berichten. Bei einigen Arten sorgen glatte, stäbchenförmige Haare für die nötige Lichtbrechung, andere besitzen stattdessen Haare mit seitlich anhängende Röhrchen oder abgeflachten Paddeln. Und diese Haare unterscheiden sich wiederum in ihrer Beschaffenheit. Es gibt sowohl schwammartige als auch streng geordnete mehrschichtige Nanostrukturen.

Wie die Forscher herausfanden, muss die blaue Färbung im Stammbaum der Vogelspinnen mindestens acht Mal unabhängig voneinander entstanden sein. Dies führte dazu, dass selbst eng verwandte Arten verschiedene Techniken entwickelten und insgesamt so viele verschiedenen Nanostrukturen vorkommen.

Genau der gleiche Farbton

Die zweite Überraschung: Trotz dieser großen Unterschiede leuchtet das Blau bei allen Vogelspinnen im gleichen Farbton. „Die Farbe konzentriert sich in einem Bereich von rund 20 Nanometern um die Wellenlänge von 450 Nanometer herum“, berichten die Forscher. Diese Übereinstimmung gilt selbst bei nur entfernt miteinander verwandten Arten und unabhängig von der jeweiligen Nanostruktur der Haare.

Die Vogelspinnen können ihre blaue Farbe gar nicht wahrnehmen. Hier Chromatopelma cyaneopubescens. © Michael Kern, www.thegardensofeden.or

„Das ist noch bemerkenswerter, wenn man bedenkt, wie schnell sich Strukturfarben verändern können“, sagt Hsiung. Denn bei Schmetterlingen beispielsweise kann sich der Farbton ihrer Flügel schon im Laufe weniger Generationen durch gezielte Selektion verändern. Schon winzige Verschiebungen in Größe oder Abstand der Nanostrukturen reichen aus, um aus blau rot werden zu lassen. Warum aber zeigen Vogelspinnen trotzdem seit hunderten Millionen Jahren immer nur dieses eine Blau?

Blind für die eigene Farbe

Eine mögliche Erklärung wäre, dass diese Farbe als wichtiges Signal für die Spinnen dient – beispielsweise bei der Partnerwahl oder zwischen Rivalen. Bei vielen Vögeln und Schmetterlingen ist dies bekanntermaßen der Fall. Allerdings: „Die sexuelle Selektion gilt typischerweise als Einfluss, der die Vielfalt von Farben und Mustern bei verwandten Arten eher erhöht“, sagen die Forscher. Bei den Vogelspinnen ist dies aber nicht der Fall.

Seltsam auch: Die Vogelspinnen sind nachtaktive Jäger, die in Ritzen oder Erdhöhlen auf ihre Beute lauern. „Sie besitzen zwar wie viele Spinnen acht Augen, ihre Sehschärfe und ihr Farbensehen sind aber sehr begrenzt“, erklären Hsiung und seine Kollegen. Die Spinnen sehen nur in einem Wellenlängen-Bereich um 500 Nanometer, die 450 Nanometer des Blaus liegen aber schon außerhalb. Mit anderen Worten: Die Vogelspinnen können das leuchtende Blau ihrer Artgenossen gar nicht wahrnehmen.

„Dies alles spricht dafür, dass das Blau der Vogelspinnen kein innerartliches Signal ist, sondern sich für einen anderen Zweck entwickelt hat“, konstatieren die Forscher. „Der enge Wellenlängenbereich und die evolutionäre Stabilität sprechen dabei für eine Signalfunktion – wer aber der Empfänger dieser Signale ist, bleibt unklar.“ Um das herauszufinden, sei weitere Forschung nötig. „Science Advances, 2015; doi: 10.1126/sciadv.1500709)

(AAAS, 30.11.2015 – NPO)

Keine Meldungen mehr verpassen – mit unserem wöchentlichen Newsletter.
Teilen:

In den Schlagzeilen

News des Tages

Diaschauen zum Thema

Dossiers zum Thema

Schönheit - Symmetrie, Kindchenschema und Proportionen

Bücher zum Thema

Im Fokus: Strategien der Evolution - Geniale Anpassungen und folgenreiche Fehltritte von Nadja Podbregar und Dieter Lohmann

Das kugelsichere Federkleid - Wie die Natur uns Technologie lehrt von Robert Allen (Hrsg.)

Warnen, Tarnen, Täuschen - Mimikry und Nachahmung bei Pflanze, Tier und Mensch von Klaus Lunau

Top-Clicks der Woche