Krach, der auf die Seele schlägt: Wer lautem oder anhaltendem Verkehrslärm ausgesetzt ist, zeigt häufiger Symptome einer Depression. Eine Langzeitstudie an Einwohnern der Ruhrgebiets-Städte Essen, Bochum und Mülheim deutet auf dieses höhere Depressionsrisiko hin. Besonders stark betroffen sind demnach Menschen, die einen geringeren Bildungsstand besitzen und in sozial schwächeren Stadtteilen leben.
Dauerlärm ist mehr als nur unangenehm: Langfristig anhaltender oder immer wiederkehrender Krach kann auch krank machen. Pfeifende Dauertöne und veränderte Gehörnerven gehören zu den möglichen Folgen, die Schäden gehen aber auch über die Ohren hinaus. Lärm beeinträchtigt auf Dauer auch das Gehirn und die Blutgefäße.
Diese körperlichen Gesundheitsrisiken durch zu viel Lärm sind bekannt. Wissenschaftler um Ester Orban haben nun untersucht, welche Folgen insbesondere Straßenlärm für die seelische Gesundheit haben kann. In den Städten Bochum, Essen und Mülheim an der Ruhr befragten sie dazu tausende von Anwohnern unterschiedlich stark befahrener Straßen und erfassten in Fragebögen, wie stark oder wie häufig bei den Teilnehmern Symptome von Depressionen auftraten. Nach fünf Jahren wiederholten die Forscher die Befragung. Die Daten von 3.300 Teilnehmern im Alter zwischen 45 und 75 Jahren flossen in die Auswertung ein.
Mehr Depressionen bei Nacht- und Dauerlärm
Anhand von Lärmkarten ermittelten die Wissenschaftler, wie stark der Straßenlärm am Wohnort der Studienteilnehmer war, und wie weit entfernt die nächste stark befahrene Straße lag. Dabei entdeckten sie einen Zusammenhang: Die Studienteilnehmer, die an Straßen mit viel Verkehrslärm wohnen, entwickelten im Zeitraum von fünf Jahren häufiger depressive Symptome, als die, die in vergleichsweise ruhigen Straßen wohnen. Das Risiko steigt der Studie zufolge um 25 Prozent, sobald der Lärm nachts 50 Dezibel übersteigt oder im 24-Stunden-Mittelwert über 55 Dezibel liegt.
Bei der Auswertung berücksichtigten die Forscher auch andere Risikofaktoren, die das Ergebnis beeinflussen können, darunter das Monatseinkommen, den Bildungsstand und die Arbeitslosigkeitsrate im jeweiligen Stadtviertel. Auch andere Krankheiten, die durch die Nähe zu verkehrsreichen Straßen stärker auftreten und ihrerseits das Depressionsrisiko steigern können, erfassten die Wissenschaftler.
Lärmschutz für die Gesundheit der Bevölkerung
Dabei zeigte sich, dass Menschen mit geringerer Bildung stärker von Lärm und damit auch häufiger von Depressionssymptomen betroffen sind. Ein niedriger Bildungsstand führt zu einem niedrigeren Durchschnittseinkommen und damit oft auch zu einem Wohnort mit niedrigeren Mieten, etwa in der Nähe großer Straßen. Depressionen treten jedoch auch generell häufiger in Bevölkerungsschichten mit niedriger Bildung auf. Ursache und Wirkung sind hier nur schwer zu trennen.
Die Studie deutet jedoch darauf hin, dass Lärm ein zusätzlicher Faktor ist, der das Risiko einer Depression weiter in die Höhe treibt. „Durch die Vielzahl der belastenden Faktoren könnte die Widerstandsfähigkeit verringert sein“, spekuliert Erstautorin Orban. Zukünftige Studien müssten dies gezielter untersuchen, so die Medizinerin. Sie betont zudem, „dass die Erkenntnisse erneut bestätigen, wie wichtig der Lärmschutz für die Gesundheit der Bevölkerung ist.“ (Environmental Health Perspectives, 2015; doi: 10.1289/ehp.1409400)
(Universität Duisburg-Essen, 27.11.2015 – AKR)