Kornkammer in Gefahr: Geht der Klimawandel ungebremst weiter, stehen den Weizenanbau-Gebieten Europas schwere Zeiten bevor. Denn Wetterextreme wie Dürren, Hitzewellen und Starkregen könnten sich bis 2100 verdoppeln bis verdreifachen, so die aktuelle Prognose von Klimaforschern. Sollen die Ernten nicht einbrechen, müssen rechtzeitig entsprechend widerstandsfähige Weizensorten entwickelt und angebaut werden, so die Forscher im Fachmagazin „Interface“.
Weizen ist einer der wichtigsten Nahrungspflanzen der Menschheit: 20 Prozent des weltweiten Kalorienbedarfs wird allein durch dieses Getreide gedeckt, wie Miroslav Trnka von der Mendl University in Brünn und seine Kollegen berichten. Eine der wichtigsten Kornkammer für die weltweite Weizenproduktion ist dabei Europa: In dem Gebiet bis zum Ural im Osten und der Türkei im Süden wird ein Drittel der globalen Weizenmenge erzeugt.
Doch schon länger zeichnet sich ab, dass gerade der Weizen sehr sensibel gegenüber dem Klimawandel reagiert. Zu viel Kohlendioxid mindert die Erträge ebenso wie Dürren oder zu hohe Temperaturen. Dass schon kurze Hitzeperioden dem Weizen empfindlich schaden können, belegte 2012 eine Studie in Indien. Aber auch Starkregen und Überschwemmungen können Weizenbauern deutliche Ernteeinbußen beschweren.
Bis zu dreimal mehr Extremereignisse
Was aber bedeutet dies für die europäische Weizenproduktion? Diese Fragen haben Trnka und seine Kollegen nun genauer untersucht. Ausgehend von der heutigen Verteilung der Weizenanbaugebiete nutzten sie mehrere Klimamodelle, um zu ermitteln, wie stark sich die Häufigkeit von Wetterextremen an 379 europäischen Standorten bis 2100 verändern wird – und wie sich das auf die Weizenproduktion auswirkt.
Das Ergebnis ist eher alarmierend: Geht der Klimawandel ungebremst weiter, könnte der Weizenanbau in Europa erhebliche Probleme bekommen: „Bis zum Ende des Jahrhunderts werden die Haupt-Weizenanbaugebiete in Europa doppelt so häufig extremen Wettereignissen ausgesetzt sein wie heute“, berichten die Forscher. Dort, wo heute noch im Durchschnitt ein Extrem-Ereignis alle fünf Jahre auftritt, werden es 2010 bereits eines alle zwei Jahre sein. „Betrachtet man die gesamte landwirtschaftlich nutzbare Fläche Europas, verdreifacht sich die Häufigkeit der Wetterextreme sogar.“
Im Südosten zu heiß und trocken, im Norden überschwemmt
Wie sich dies auf die Weizenproduktion Europas auswirkt, ist dabei jedoch von Region zu Region verschieden. Denn die Folgen hängen davon ab, welches Extremwetter häufiger auftreten wird. So werden in Spanien, Italien und angrenzenden Teilen des Mittelmeerraums vor allem die häufigeren Dürren das Wachstum des Weizens behindern, wie die Forscher berichten. In weiten Teilen Südosteuropas, darunter der Türkei, dem Balkan und der Ukraine sorgt vorwiegend der zunehmende Hitzestress für Ernteeinbußen.
Für Mittel- und Nordosteuropa prognostizieren die Forscher dagegen vor allem Probleme durch Kälte und zu viel Regen. In Großbritannien und den nordwestlichen Küstenregionen Europas werden Überschwemmungen nach Starkregen immer häufiger die Felder unzugänglich und unbeackerbar machen, so Trnka und seine Kollegen.
Was kann man tun?
Die Prognose der Forscher gibt auch wertvolle Hinweise darauf, wie man sich an diese Entwicklungen anpassen könnte – und was eher kontraproduktiv ist. So erscheint es auf den ersten Blick naheliegend, einfach die Anbauflächen für Weizen in Gebiet zu verschieben, in denen weniger Wetterextreme drohen. Doch solche Gebiete wird es in Europa nicht mehr geben, wenn der Klimawandel ungebremst fortschreitet, warnen die Wissenschaftler.
„Anpassungsstrategien sollten sich stattdessen darauf konzentrieren, die Resilienz der Weizenproduktion in den bestehenden Anbaugebieten zu erhöhen“, empfiehlt Trnka. Setzt man beispielsweise im Mittelmeerraum und Südosteuropa früher reifende Sorten ein, dann werden diese reif, bevor die schlimmsten Dürren oder Hitzewellen eintreten. Das bestätigt sich auch im Modell der Forscher. Die Zucht von hitze- oder dürretoleranteren Weizensorten könnte ebenfalls dazu beitragen, Ernteeinbußen zu mindern. (Journal of the Royal Society Interface, 2015; doi: 10.1098/rsif.2015.0721)
(Royal Society, 18.11.2015 – NPO)