Eingeschlepptes Massensterben: Offenbar haben Menschen eine für Fledermäuse gefährliche Pilzkrankheit nach Nordamerika eingeführt. Für die dortigen Fledermäuse ist der für sie unbekannte Pilz tödlich, während die Tiere in Europa sich seit langer Zeit damit arrangieren können, wie Zoologen herausgefunden haben. Diese „unerwünschte Folge der Globalisierung“ bedroht nicht nur die betroffenen Fledermäuse, sondern gefährdet das Gleichgewicht eines ganzen Ökosystems, schreiben die Forscher im Magazin „Current Biology“.
Fledermäuse in Nordamerika leiden bereits seit 2006 nachweislich am sogenannten White-Nose-Syndrom (WNS). Seitdem sind Schätzungen zufolge über fünf Millionen der Tiere in Kanada und im Nordosten der USA an dieser Krankheit gestorben. Namensgebend für WNS ist der weiße Pilz Pseudogymnoascus destructans, der die Schnauze, die Ohren und die Flügel von überwinternden Fledermäusen befällt.
Verheerendes Massensterben
Der Pilz hat sich schnell in der gesamten Region verbreitet und zu einem Massensterben unter den Fledermäusen geführt. In einigen Kolonien starben bis zu 99 Prozent der Tiere. Zurzeit gibt es keine Behandlungsmethode oder eine andere Möglichkeit, die Krankheit aufzuhalten. Warum der Pilz sich in so kurzer Zeit mit so tödlichen Folgen ausbreiten konnte, war bislang unbekannt. Wissenschaftler vermuteten jedoch, er könne aus Europa eingeschleppt worden sein.
Diese Theorie haben Zoologen um Sebastien Puechmaille von der Ernst-Moritz-Arndt-Universität Greifswald nun bestätigt. Molekular-genetische Untersuchungen des Pilzes aus Nordamerika zeigten, dass er dem auch in Europa vorkommenden Pseudogymnoascus destructans sehr ähnlich ist. „Der Nachweis, dass die nordamerikanische Population des Pseudogymnoascus destructans aus Europa stammt, stellt einen ersten wichtigen Schritt dar, um die Faktoren, welche dem Entstehen dieser verheerenden Krankheit zugrunde liegen, besser zu verstehen“, sagt Puechmaille.
Wehrlos gegen den unbekannten Pilz
In Europa gibt es diesen Pilz schon seit langem. Die Forscher stellten fest, dass er unter europäischen Fledermäusen sogar noch stärker verbreitet ist als in den amerikanischen Populationen – allerdings ohne die tödlichen Folgen. Fledermäuse hierzulande haben sich wahrscheinlich über einen langen Zeitraum mit dem Pilz zusammen weiterentwickelt und sich an ihn angepasst.
Dies spricht den Wissenschaftlern zufolge ebenfalls dafür, dass es sich beim WNS in Nordamerika um eine eingeschleppte Krankheit handelt: Die dortigen Fledermäuse stehen dem für sie unbekannten Pilz völlig wehrlos gegenüber, weshalb er sich so rasend schnell ausbreiten kann und so viele Tiere tötet.
Von Europa in den Nordosten Amerikas gelangte der Pilz jedoch nicht im Pelz einer Fledermaus. Verantwortlich ist vermutlich der Mensch: „Angesichts der Tatsache, dass keine Fledermaus zwischen Nordamerika und Europa migriert, ist es sehr wahrscheinlich, dass der Pilz durch anthropogene Aktivitäten in Nordamerika eingeführt wurde“, erklärt Erstautorin Stefania Leopardi vom Royal Veterinary College in London.
„Unerwünschte Folge der Globalisierung“
„Die Einfuhr neuer Erreger stellt eine unerwünschte Folge der Globalisierung und der bislang nie da gewesenen Bewegung von Menschen, Tieren und landwirtschaftlichen Produkten dar“, so Leopardi. Diesen Einfluss wollen die Forscher genauer untersuchen, um über den Ursprung der Pilzkrankheit möglicherweise auch eine Bekämpfungsmethode zu finden. „Unsere Studie ebnet den Weg für künftige Forschung, um den genauen Ursprungsort in Europa festzustellen“, führt Puechmaille aus. „Diese Information wird wahrscheinlich die genaue Art der menschlichen Aktivität aufzeigen, welche für die Einführung verantwortlich ist.“
Das WNS hat nicht nur verheerende Auswirkungen auf die Fledermauspopulation, es könnte sogar das gesamte Ökosystem der Region erschüttern. Die betroffenen Fledermäuse sind größtenteils insektenfressende Arten, die eine wesentliche Rolle als natürliche Schädlingsbekämpfer und auch bei der Bestäubung von Pflanzen spielen. Gerät dieses ökologische Gleichgewicht aus der Balance, können die Auswirkungen weit über den Verlust einer einzelnen Spezies hinausgehen. (Current Biology, 2015; doi: 10.1016/j.cub.2015.01.047)
(Ernst-Moritz-Arndt-Universität Greifswald, 28.05.2015 – AKR)