Ein Ozonloch über dem Nordpol, UV-Alarm in unseren Breiten und viermal so viel Hautkrebs: Wenn es 1987 das Montreal-Protokoll zum Schutz der Ozonschicht nicht gegeben hätte, wäre all dies heute Realität. Das belegt eine ungewöhnliche „Was wäre wenn“-Studie von Klimaforschern im Fachmagazin „Nature Communications“. Ihre Simulation belegt, dass das Verbot vieler ozonzerstörender Substanzen sich bereits messbar positiv auf die Ozonschicht ausgewirkt hat.
Die irdische Ozonschicht ist unser wichtigster Schutz vor schädlicher UV-Strahlung. Doch anthropogene Emissionen chlorhaltiger Treibgase und anderer Halogenkohlenwasserstoffe setzte in der Ozonschicht eine zerstörerische Kettenreaktion in Gang, die über der Antarktis ein Ozonloch verursachte und die Ozonschicht auch in anderen Regionen ausdünnte. Um dem Einhalt zu gebieten, beschloss die internationale Staatengemeinschaft 1987 im Montreal-Protokoll, chlor- und bromhaltige ozonabbauende Substanzen zu verbieten oder ihre Produktion zumindest stark zu reduzieren.
Was wäre wenn…?
Allerdings war damals schon klar, dass sich die Ozonschicht wegen der Langlebigkeit der Chlorverbindungen nur mit großer Verzögerung erholen wird. So hat sich das antarktische Ozonloch zwar seither bereits verkleinert, im Winter 2011 riss aber dafür ein Ozonloch über dem Nordpol auf, ausgelöst durch eine ungewöhnliche Kälte. Studien zeigen zudem, dass die irdische Ozonschicht noch immer um rund vier Prozent unter dem langjährigen Mittel liegt.
Martyn Chipperfield von der University of Leeds und seine Kollegen wollten es aber genauer wissen: Sie haben untersucht, wie die Atmosphäre aussähe, wenn es das Montreal-Protokoll nicht gegeben hätte. Dies ermittelten sie mit Hilfe von Atmosphärenmodellen, in denen sie Emissionen, Transport und Abbau der ozonzerstörenden Substanzen einmal mit den FCKW-Verboten des Montreal-Protokolls und einmal ohne jede Beschränkung simulierten.
Mehr Hautkrebs in Mitteleuropa
Das Ergebnis: Gäbe es das Montreal-Protokoll nicht, dann wäre die Ozonschicht über Mitteleuropa und anderen gemäßigten Breiten um fünf bis zehn Prozent dünner. Damit aber wäre auch die UV-Einstrahlung um bis zu 15 Prozent stärker als jetzt der Fall. „Gerade in den mittleren Breiten, in denen die Haut der Menschen typischerweise sensibler auf UV-Schäden reagiert, hätte das erhebliche Folgen für die Gesundheit“, sagen Chipperfield und seine Kollegen.
Zwar sind die gesundheitlichen Folgen der erhöhten UV-Belastung nur schwer zu quantifizieren. Studien gehen aber davon aus, dass schon ein fünfprozentiger Anstieg der UV-Belastung die Hautkrebsraten um acht bis 15 Prozent erhöhen kann. Australien und Neuseeland, die im Außenbereich des antarktischen Ozonlochs liegen, haben selbst mit Treibgasverbot heute die höchsten Hautkrebsraten weltweit. „Veränderungen wie wir sie dank Montreal-Protokoll vermieden haben, hätten daher potenziell schwerwiegende Konsequenzen gehabt“, so die Forscher.
Ozonloch über der Arktis
Noch drastischer aber wäre die Situation in den Polargebieten: Zum einen hätte es in der Arktis ein noch stärkeres und größeres Ozonloch im Frühjahr 2011 gegeben. Seine Ausdehnung würde dem des heutigen südpolaren Ozonlochs entsprechen und das Ozon wäre fast doppelt so stark ausgedünnt wie tatsächlich beobachtet, wie die Forscher berichten. Als Folge wären große Teile Skandinaviens und das Baltikum kaum vor der UV-Strahlung geschützt.
Zudem wären Ozonlöcher über dem hohen Norden heute sogar eher die Regel als die Ausnahme. Denn dann würden schon weniger extreme Wetterlagen und Temperaturen ausreichen, um die ozonabbauende Kettenreaktion in den polaren Stratosphärenwolken so zu verstärken, dass ein Ozonloch entsteht.
Auswirkung auch aufs Klima
Über der Antarktis sähe es ebenfalls deutlich schlechter aus: „Ohne das Montreal-Protokoll hätte sich das Ozonloch über der Antarktis substanziell vergrößert: Es wäre bis 2013 um 40 Prozent auf 37 Millionen Quadratkilometer angewachsen“, berichten die Forscher. Auch in den umliegenden Atmosphärenbereichen wäre die Ozonschicht messbar dünner. Am Rand des südpolaren Wirbels hätte sich dadurch die UV-Belastung im Südfrühjahr um 20 bis 100 Prozent erhöht.
Wie die Forscher berichten, würde sich ein solches Ozonloch aber nicht nur negativ auf die Gesundheit von Menschen, Tieren und Pflanzen auswirken, es hätte auch Folgen für das Klima und die atmosphärische Zirkulation. Selbst mit dem Montreal-Protokoll zeigen Studien, dass sich der Jetstream der Südhalbkugel im Sommer durch das Ozonloch stärker polwärts verschiebt.
„Unsere Studie zeigt, dass das Montreal-Protokoll selbst nach nur gut zwei Jahrzehnten der Ratifizierung große positive Effekte gezeigt hat – darunter auch die Verhinderung eines arktischen Ozonlochs“, konstatieren Chipperfield und seine Kollegen. (Nature Communications, 29015; doi: 10.1038/ncomms8233)
(Nature, 27.05.2015 – NPO)