Aussterben mit weitreichenden Folgen: Zebras, Elefanten, Nashörner und viele andere große Pflanzenfresser stehen weltweit kurz vor dem Ende. 60 Prozent von ihnen sind vom Aussterben bedroht. Für die betroffenen Ökosysteme hat das drastische Folgen: Wenn die großen Pflanzenfresser verschwinden, könnten sie sich in „leere Landschaften“ verwandeln, warnen US-Forscher im Magazin „Science Advances“.
Weltweit sind tausende von Tierarten vom Aussterben bedroht. Einige davon lassen sich nur noch mit sofortigen und intensiven Schutzmaßnahmen retten, für andere kommt wahrscheinlich jede Hilfe zu spät. Besonders offensichtlich ist dies für uns, wenn große und bekannte Tiere plötzlich verschwinden: Nashörner, Zebras und Elefanten gehören zu den bedrohten Arten, aber auch Kamele und Tapire kommen möglicherweise bald nur in Tierhaltung und im Zoo vor.
Doppelte Bedrohung: Jagd und schwindender Lebensraum
Was der Rückgang und das Aussterben solcher großen Pflanzenfresser für die Ökosysteme der Welt bedeuten würde, haben Wissenschaftler um William Ripple von der Oregon State University nun analysiert. Dabei konzentrierten sie sich auf 74 Arten der größten Pflanzenfresser der Erde: Tiere mit einem durchschnittlichen Gewicht von über 100 Kilogramm. Besonderes Augenmerk legten die Ökologen auf den bedrohten Status der Art und die Ursachen der Bedrohung sowie auf die Bedeutung der Tiere für ihr Ökosystem.
„Ich hatte erwartet, dass veränderter Lebensraum der Hauptgrund für die Bedrohung großer Pflanzenfresser ist“, sagt Ripple. „Überraschenderweise zeigen unsere Ergebnisse, dass die zwei wichtigsten Faktoren die Jagd durch den Menschen sowie Veränderungen des Lebensraums sind. Es gibt eine doppelte Bedrohung.“
Nashorn verkauft sich besser als Gold und Diamanten
Ein Grund dafür ist, dass wilde Tiere in Konkurrenz zur Viehzucht stehen. Seit 1980 hat sich die weltweite Produktion von Fleisch verdreifacht. Zusammen mit der wachsenden Landwirtschaft macht dies es den Wildtieren immer schwerer, Nahrung und Zugang zu Wasserquellen zu finden. In den kleinen und eingeengten Populationen breiten sich außerdem Krankheiten schneller aus.
Der andere entscheidende Faktor, die Jagd durch den Menschen, geschieht den Autoren zufolge aus zwei Gründen. Einerseits lebt geschätzt rund eine Milliarde Menschen weltweit von erjagtem Fleisch. Einen ebenso wichtigen Anteil hat aber der Handel mit tierischen Körperteilen zu „medizinischen Zwecken“: „Der Markt für medizinische Anwendungen kann für einige Teile wie Rhinozeros-Horn sehr groß sein“, sagt Ripple. „Horn verkauft sich nach Gewicht besser als Gold, Diamanten oder Kokain.“ Um die Tiere wirkungsvoll zu schützen, müsse diese Nachfrage drastisch sinken – das westafrikanische Schwarze Nashorn ist jedoch seit 2011 ausgestorben.
„Leere Landschaften“ in Asien und Afrika
Hauptsächlich in den Entwicklungsländern sind die großen Pflanzenfresser bedroht, vor allem in Südostasien, Indien und Afrika. Die einzige europäische bedrohte Art ist das Wisent, der Europäische Bison. Keine der untersuchten bedrohten Arten lebt in Nordamerika – den Autoren zufolge liegt das daran, dass dieser Kontinent bereits die meisten großen Säugetierarten durch prähistorische Jagd und veränderte Lebensräume verloren hat.
Bereits vor über 20 Jahren hatte eine ähnliche Studie über das Artensterben in tropischen Regenwäldern das Bild der „leeren Wälder“ heraufbeschworen: Während die Bäume und die sie umgebende Pflanzenwelt zwar zunächst ohne die ausgestorbenen Tierarten überdauern, leiden diese empfindlichen Ökosysteme unter langfristigen Konsequenzen.
Ripple und seine Kollegen führen diesen Gedanken weiter und prägen in ihrer Studie den Begriff der „leeren Landschaften“. Denn mit dem Verlust der großen Pflanzenfresser werden die betroffenen Ökosysteme sich drastisch verändern, schreiben die Forscher: Raubtieren wie Löwen und Tigern werden die Beutetiere fehlen, so dass auch deren Bestände sinken. Eine frühere Studie über die Bestände bedrohter Raubtiere hatte diesen Zusammenhang ebenfalls bereits offen gelegt.
Hoffnung auf größere Aufmerksamkeit
Zuvor von Tieren gefressene und wieder ausgeschiedene Pflanzensamen werden zudem schlechter verbreitet. Außerdem ändert sich der Kreislauf von Nährstoffen zwischen Pflanzen und Boden. Wie dies die Böden karg werden lässt, zeigt bereits das Aussterben der nordamerikanischen Megafauna vor rund 12.000 Jahren. Wenn sich die Vegetation dadurch ändert, steigt außerdem die Gefahr von Wald- und Buschfeuern. So ändert sich schließlich auch der Lebensraum für kleinere Tierarten wie Vögel, Fische und Amphibien.
„Wir hoffen, dass dieser Bericht die Aufmerksamkeit für die Bedeutung der großen Pflanzenfresser für diese Ökosysteme erhöht“, sagt Ripple. Internationale Zusammenarbeit sei nötig, um auch die Entwicklungsländer beim Artenschutz zu unterstützen. Denn vor allem Menschen vor Ort seien in dazu gefragt. „Und wir hoffen, dass Politiker Maßnahmen zum Schutz dieser Arten ergreifen.“ (Science Advances, 2015; doi: 10.1126/sciadv.1400103)
(Oregon State University, 04.05.2015 – AKR)