Biotechnologie

Stammzellen: Es gibt doch eine Abstoßung

Forscher weisen bisher unerkanntes Risiko bei Stammzell-Therapien nach

Somatischer Kerntransfer: Der Kern einer adulten Zelle wird in die Hülle einer anderen übertragen. © HHMI

Schlappe für Stammzell-Therapien: Aus Körperzellen erzeugte Stammzellen sind große Hoffnungsträger für die Medizin. Doch jetzt haben deutsche Forscher ein Problem entdeckt: Werden diese Zellen durch Kerntransfer erzeugt, rufen sie beim Empfänger Abstoßungsreaktionen hervor. Genau das sollte eigentlich bei Stammzellen nicht auftreten, für künftige Stammzell-Therapien ist das daher keine gute Nachricht, so die Forscher im Fachmagazin „Cell Stem Cell“.

In der Medizin und Stammzellforschung sind sie inzwischen die Stars: induzierte Stammzellen. Sie entstehen, wenn erwachsene Körperzellen reprogrammiert werden und so wieder zu Stammzellen werden – Zellen, aus denen wieder verschiedenste Zellen und Gewebe entstehen können. Mit ihnen könnten daher künftig viele Krankheiten geheilt werden, hoffen Mediziner. Der große Vorteil dabei: Weil diese Zellen aus dem Körper des Patienten gewonnen werden, gibt es keine Abstoßungsreaktion – so dachte man jedenfalls bisher.

Eigener Kern in fremder Hülle

Doch wie sich jetzt zeigt, liegt die Tücke im Detail, wie Tobias Deuse vom Universitären Herzzentrum Hamburg und seine Kollegen feststellten. Für ihre Studie stellten sie im Labor induzierte Mäuse-Stammzellen durch den sogenannten somatischen Zellkerntransfer (SCNT) her. Bei dieser Methode wird der Kern einer adulten Körperzelle in eine entkernte Eizellhülle eingepflanzt. Dadurch lässt sich diese Kombizelle wieder in den Zustand einer undifferenzierten embryonalen Stammzelle versetzen und vermehren. Weil das Erbgut dieser Stammzellen vom Spender stammt, müssten sie von seinem Körper als „eigen“ angenommen werden.

Obwohl die Kern-DNA mit der der Empfänger-Maus identisch war, wurden die Stammzellen abgestoßen. © Deuse et al. / Cell Stem Cell

Doch als die Forscher die auf diese Weise gezüchteten Stammzellen der Spendermaus implantierten, traten Abstoßungsreaktionen auf. Nähere Untersuchungen ergaben, dass dafür DNA-Anteile verantwortlich waren, die nicht im Zellkern liegen, sondern außerhalb, in den Mitochondrien, den Kraftwerken der Zelle. Diese werden beim Zellkerntransfer nicht mit übertragen, sondern stammen bei den Stammzellen aus der Eizellhülle.

Risiko beim Menschen noch größer

Weil der Anteil dieses fremden Erbguts sehr klein ist, galt dies bisher als vernachlässigbar. Doch die Studie belegt nun, dass selbst diese geringe Menge Fremd-DNA bereits reicht, um eine abstoßende Immunreaktion beim Stammzell-Empfänger zu provozieren. Hinzu kommt: Bei Mäusen unterscheidet sich die mitochondriale DNA nur wenig von Tier zu Tier. „Da aber die mitochondriale DNA beim Menschen eine deutlich höhere Variabilität als bei anderen Organismen hat, sind beim Menschen auch Immunreaktionen zu erwarten“, erklärt Koautorin Sonja Schrepfer vom Universitären Herzzentrum Hamburg.

Für die Hoffnung auf Stammzelltherapien ist dies keine gute Nachricht. „Bisher kann man nur spekulieren, welche Auswirkungen dieses Phänomen auf Transplantationen beim Menschen haben wird“, sagt Schrepfer. Angesichts der aktuellen Ergebnisse sollte man die SCNT-Technologie jedoch kritischer betrachten und vorsichtiger mit ihr umgehen. „Unsere Veröffentlichung ist als Warnung zu verstehen“, so die Forscherin. Dennoch ist der somatische Zellkerntransfer ihrer Ansicht nach immer noch ein vielversprechender Weg zu neuen Therapien – wenn das Abstoßungsproblem gelöst wird. (Cell Stem Cell, 2014; doi: 10.1016/j.stem.2014.11.003)

(Universitätsklinikum Hamburg-Eppendorf / Cell Press, 21.11.2014 – NPO)

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