Von der Biowaffe zum Krebsmedikament: Das Gift des Milzbrand-Erregers soll in Zukunft im Kampf gegen resistente Krebszellen helfen. US-Forscher haben dazu die tödlichen Teile der Proteine im Giftgemisch durch maßgeschneiderte Antikörper ersetzt, die in die Zelle eingeschleust werden. Was im Laborversuch bereits geglückt ist, könnte eine völlig neue Verabreichungsmethode für Krebsmedikamente bedeuten.
Das Bakterium Bacillus antracis ist berüchtigt: Der Erreger des Milzbrandes produziert ein derart tödliches Gift, dass er Einsatz in der biologischen Kriegführung und bei Terroranschlägen fand. Sporen des Bakteriums sind über Jahrzehnte lebensfähig und können auch dann noch Infektionen hervorrufen. Gerade die Effizienz des Bakteriengiftes soll nun jedoch der Medizin zugutekommen – gegen resistente Krebszellen.
Bei verschiedenen Krebsarten heben sich Antikörper als effektives Mittel bewiesen: Damit lassen sich spezifische Rezeptoren an der Oberfläche von Krebszellen blockieren, so beispielsweise der HER2-Rezeptor bei manchen Brustkrebs-Tumoren. Allerdings liegen viele andere Rezeptoren, die sich als Ziel anböten, im Inneren der Zelle und nicht an der Oberfläche – außer Reichweite der Antikörper. Krebsformen, in denen diese Rezeptoren außer Kontrolle geraten, sind resistent gegen die Antikörper-Therapie, denn die Zellmembran ist eine nur schwer zu überwindende Barriere.
Giftgemisch mit gezogenen Zähnen
Hier soll nun das Gift des Milzbrand-Bakteriums helfen: „Das Milzbrand-Toxin ist ein Profi darin, große Enzyme ins Zellinnere zu liefern“, sagt Bradley Pentelute vom Massachusetts Institute of Technology. „Wir haben uns gefragt, wie wir das Milzbrand-Gift ungiftig machen können, um es als Plattform zum Verabreichen medizinischer Antikörper in Zellen zu nutzen.“
Dazu entfernten Pentelute und seine Kollegen zunächst die tödlichen Teile des Milzbrand-Toxins. Das Gift ist ein Gemisch aus drei Proteinen – zwei davon, die LF- und die EF-Region, sind für die giftige Wirkung verantwortlich. Der übrigbleibende PA-Teil bindet dagegen an die Membran der Ziel-Zelle und schafft eine Art Einfallpforte für LF und EF, die letztendlich die Zelle töten. Diesen beiden Proteinen zogen die Forscher gewissermaßen die Giftzähne: Sie ersetzten die entscheidenden Regionen durch nachgebaute Antikörper. Diese sind kleiner als normale Antikörper, lassen sich aber maßgeschneidert auf bestimmte Ziel-Rezeptoren herstellen.
Erfolgreiche Attacke im Inneren der Krebszelle
Mit dem so entschärften und neu beladenen Toxin gelang es den Forschern im Laborversuch tatsächlich, das Leukämie-auslösende Protein Bcr-Abl zu attackieren: Krebszellen, in denen dieses Protein wucherte, starben durch programmierten Zelltod. Ein weiteres mögliches Ziel war das Protein hRaf-1, welches in vielen Krebsformen übermäßig aktiv ist.
„Diese Arbeit ist ein großer Fortschritt für die Verabreichung von Medikamenten“, urteilt Jennifer Cochran von der Stanford University, und erwartet bald weiterreichende Studien über das Medikamente-einschleusende Proteingemisch. Pentelute und seine Kollegen arbeiten bereits daran, Tumoren in Mäusen zu behandeln. Außerdem wollen sie die Proteine so verändern, dass sie nur bestimmte Zelltypen attackieren.
(ChemBioChem, 2014; doi: 10.1002/cbic.201402290)
(Massachusetts Institute of Technolog, 26.09.2014 – AKR)