Übersteigerte Selbstliebe? Wie stark die Charaktereigenschaft des Narzissmus ausgeprägt ist, zeigt offenbar schon die Antwort auf eine einzige, kurioserweise direkte Frage: Wie narzisstisch schätzen Sie sich selbst ein? US-Psychologen haben herausgefunden, dass dieser Mini-Test überraschend verlässliche Ergebnisse im Vergleich mit aufwändigeren Verfahren liefert. Im Online-Fachmagazin „PLOS ONE“ berichten die Wissenschaftler, wie diese Kurzversion eines Psychotests auch bei weiteren Studien helfen kann.
Verliebt in sein eigenes Spiegelbild: Der schöne Jüngling Narkissos aus der griechischen Mythologie ist der Namensgeber der Bezeichnung für die übersteigerte Selbstliebe, den Narzissmus. Bisher erfasste man den Grad dieser Charaktereigenschaft durch umfangreiche Psycho-Tests. Wissenschaftler um Brad Bushman von der Ohio State University in Columbus haben jedoch festgestellt, dass es auch wesentlich einfacher geht: Mit nur einer einzigen, einfachen Frage.
Statt 40 Fragen nur noch eine
Die Frage des Mini-Tests lautet schlicht: Zu welchem Grad stimmen Sie mit der Aussage überein „Ich bin ein Narziss“? Als Definition wird dazu angegeben: Ein Narziss ist egoistisch, auf sich selbst konzentriert und eitel. Testteilnehmer sollen sich dabei selbst auf einer Skala von eins bis sieben einstufen. Eins entspricht „trifft nicht auf mich zu“, sieben dagegen „trifft stark auf mich zu“.
Man könnte annehmen, dass Menschen auf eine solche Direktfrage keine Antworten geben, die sich wissenschaftlich verwerten lassen. Doch die Forscher konnten durch vergleichende Untersuchungen mit 2200 Teilnehmern zeigen, dass sich die Ergebnisse des Ein-Frage-Tests weitgehend mit denen des üblicherweise genutzten Tests „Narcissistic Personality Inventory“ (NPI) deckten. Dieser kommt nach der Auswertung von 40 einzelnen Fragen zu einer Einstufung des Grades von Narzissmus.
Stolz, ein Narziss zu sein
Bushman erklärt das erstaunliche Ergebnis so: „Menschen, die bereit sind zuzugeben, dass sie narzisstischer sind als andere, sind wohl tatsächlich besonders narzisstisch. Sie sind geradezu stolz darauf, denn sie sehen Narzissmus nicht als negative Eigenschaft – sie glauben, sie sind besser als andere Menschen und finden es auch in Ordnung, das klarzustellen. Deshalb kann man sie direkt danach fragen“, so der Forscher.
Für Psychologen und Soziologen repräsentiert Narzissmus ein besonders interessantes Forschungsfeld, denn diese Charaktereigenschaft prägt das Verhalten von Menschen auf der persönlichen und gesellschaftlichen Ebene. „Diejenigen, die denken, dass sie bereits überlegen sind, versuchen kaum, sich zu verbessern“, sagt Bushmann. Das macht sie im zwischenmenschlichen Umgang besonders problematisch. „Für die Gesellschaft ist Narzissmus darüber hinaus besonders kritisch, weil Menschen, die nur an sich selbst und ihre eigenen Interessen denken, wenig hilfreich für andere sind.“
Der Forscher betont, dass der Kurz-Test umfassende psychologische Analysen natürlich nicht ersetzen kann. Diese können Forschern detaillierte Einblicke in die Psychologie eines Menschen geben und klarstellen, welche Form von Narzissmus jemand aufweist. „Aber unser Eine-Frage-Test kann bei umfangreichen Studien hilfreich sein, wenn die Gefahr besteht, dass Probanden keine Lust haben, lange Fragesequenzen zu beantworten und deshalb den ermüdenden Test vorzeitig abbrechen“, sagt Bushman.
(PLOS ONE, 2014; doi: )
(Konrath et al., PLOS ONE, 06.08.2014 – MVI)