Schlaflos bei Vollmond – Mythos oder Wahrheit? Zahlreiche Studien zum Thema haben bisher nur widersprüchliche Ergebnisse geliefert. Wissenschaftler aus Deutschland wollen diese Unklarheit beseitigen: Laut ihrer spezifisch angelegten Studie hat der Mond keinerlei Einfluss auf unseren Schlaf. Grund für die bisherigen Widersprüche ist das sogenannte Schubladenproblem, schreiben die Forscher im Fachmagazin „Current Biology“.
Der Mond fasziniert die Menschen mit seinem regelmäßigen Ab- und Zunehmen schon seit Urzeiten. Neben seinen tatsächlichen Auswirkungen auf die Erde, wie etwa dem Spiel von Ebbe und Flut, ranken sich auch zahlreiche Mythen um den Erdtrabanten. So sollen bestimmte Pflanzen nur bei Voll- oder Neumond ausgesät werden oder unter Mondlicht geerntete Heilkräuter besonders wirksam sein. Wahrscheinlich die am meisten vertretene Ansicht betrifft den nächtlichen Schlaf: Viele Menschen leiden bei Vollmond unter Schlafstörungen – oder glauben, daran zu leiden. Zahlreiche Studien haben diesen Effekt bereits untersucht, mit immer neuen und zum großen Teil widersprüchlichen Ergebnissen.
Ordnung in die Widersprüche
Um diese verwirrende Studienlage zu ordnen, haben Wissenschaftler vom Max-Planck-Institut für Psychiatrie in München umfassende Daten ausgewertet: Schlafdaten von 1.265 Probanden aus 2.097 Nächten standen ihnen für eine neue Studie zur Verfügung. Dabei setzten die Forscher vor allem auf objektive Untersuchungsmethoden wie Hirnstrom-Messungen, die in bisherigen Studien nur selten eingesetzt wurden. Außerdem untersuchten sie einzig den Effekt der Mondphase – eventuell störendes Mondlicht schlossen sie aus.
Das Ergebnis der groß angelegten Studie ist eindeutig: „Nachdem wir diese große Anzahl von Daten ausgewertet hatten, konnten wir frühere Ergebnisse aus anderen Studien nicht bestätigen“, berichtet Neurowissenschaftler Martin Dresler vom MPI für Psychiatrie. „Wir konnten keinen statistisch belegbaren Zusammenhang zwischen menschlichem Schlaf und den Mondphasen aufzeigen.“ Damit wollen die Forscher auch mit den bisherigen Widersprüchen aufräumen: Manche der vorigen Studien hatten etwa einen besonderen Einfluss des Mondes auf Frauen festgestellt, andere wiederum auf Männer. Einer Studie zufolge war der REM-Schlaf, also die Phase der Träume, bei Neumond verkürzt – einer anderen Studie nach geschah dies dagegen bei Vollmond.
Gut überlegt gegen das Schubladenproblem
Dresler zufolge entstehen solche Widersprüche dadurch, dass es sich um sogenannte Nachanalysen handelt: Die Daten stammen aus Schlaf-Untersuchungen, die für andere Schlaf-Studien gesammelt wurden. Erst anschließend brachten die jeweiligen Wissenschaftler sie dann mit dem Mond in Bezug. Auf diesem Weg geschieht es leicht, dass Erwartungen bestätigt und rein zufällige Ereignisse überbewertet werden. „Um die ganz offensichtlichen Einschränkungen von solchen Nachanalysen zu umgehen, müssten gut überlegte und genau auf den Zweck abgestimmte Experimentreihen mit einer großen Anzahl von Probanden durchgeführt werden“, kommentiert Dresler. Er und sein Team wollen solche Zufallsfunde durch die große Zahl der Teilnehmer in ihrer eigenen Studie ausschließen.
Ein weiterer Fund des Teams um Dresler bestätigt das Problem solcher Nachanalysen: Die Wissenschaftler fanden weitere Daten aus über 20.000 Schlafnächten, die jedoch allesamt unveröffentlicht blieben. Unveröffentlicht, weil sie keinerlei schlüssigen Zusammenhang zwischen Mond und Schlafqualität belegen konnten. Dieses sogenannte „Schubladenproblem“ ist in der wissenschaftlichen Welt weit verbreitet: Forscher neigen dazu, nur positive oder bestätigende Ergebnisse zu veröffentlichen, negative oder unschlüssige Studien bleiben unveröffentlicht in den Schubladen liegen.
(Current Biology, 2014; doi: 10.1016/j.cub.2014.05.017)
(Max-Planck-Gesellschaft zur Förderung der Wissenschaften e.V., 17.06.2014 – AKR)