Arme Menschen werden eher krank, erholen sich schlechter und sterben früher. Das ist nichts Neues. Doch wie sich jetzt zeigt, ist das objektive Einkommen dafür nicht das Entscheidende. Die Frage, ob die Menschen sich selbst als arm einschätzen oder nicht, aber umso mehr, haben europäische Wissenschaftler festgestellt. Die gängige Definition der Armut müsse daher überdacht werden.
Armut ist kein Problem nur der Entwicklungsländer: Auch bei uns gibt es Armut, besonders häufig unter älteren Menschen. . Nicht nur materiell, sondern auch gesundheitlich ist dies für die Betroffenen spürbar. Dass arme Menschen eher krank werden und früher sterben, ist schon länger bekannt. Als arm kann aber auch gelten, wer sich arm fühlt. Welchen Einfluss hat dieses subjektive Empfinden auf unsere Gesundheit? Dieser Frage sind Maja Adena vom Wissenschaftszentrum Berlin für Sozialforschung und Michal Myck vom Center for Economic Analysis nun auf den Grund gegangen.
Armutsgefühl wiegt mehr als Einkommen selbst
Als Grundlage für ihre Studien lagen den Wissenschaftlern umfangreiche Daten aus einer Umfrage vor, die im Rahmen des Survey of Health, Ageing and Retirement in Europe (SHARE) in den Jahren von 2006 bis 2012 durchgeführt wurde. Forscher befragten dafür 85.000 Menschen aus zwölf Ländern Europas im Alter ab 50 Jahren zu ihrer Lebenssituation, ihrem Einkommen und ihrer Gesundheit. Für ihre Auswertung unterschieden Adena und Myck zwischen verschiedenen Formen der Armut: die Armut nach Einkommen, nach Vermögen und nach subjektivem Empfinden.
Das Ergebnis: Ganz entscheidend ist das Empfinden der Menschen selber. Ältere Menschen, die sich selbst als arm einschätzen, erkranken deutlich häufiger (38 Prozent) und erleiden eher einen gesundheitlichen Rückschlag (48 Prozent). Auch die Wahrscheinlichkeit, früher zu sterben, ist bei ihnen weitaus höher, wie die Analysen ergaben. Neben der gefühlten Armut verschlechtert aber auch die Vermögensarmut den Gesundheitszustand. Wer kaum oder wenig Vermögen hat, erkrankt häufiger und erholt sich nach einer Krankheit langsamer. Erstaunlicherweise macht das Einkommen dagegen keinen großen Unterschied, wie gesund oder krank die Menschen sind.
Armut muss neu definiert werden
Die Studie macht die unterschiedlichen Gesichter der Armut deutlich. Dies sollte weitreichende wissenschaftliche und auch politische Konsequenzen nach sich ziehen, wie die Forscher empfehlen. Um Armut innerhalb der älteren Generation zu messen, reicht es demnach nicht aus, das Einkommen eines Menschen zu betrachten. Ganz im Gegenteil. Es brauche weiter gefasste Armutsdefinitionen, um Altersarmut und ihre Folgen abbilden zu können, schreiben die Wissenschaftler. So müssen die Vermögensverhältnisse und vor allen Dingen auch das subjektive Empfinden des Menschen mit einbezogen werden. (WZB Discussion Paper, 2013; pdf)
(Wissenschaftszentrum Berlin für Sozialforschung gGmbH, 21.02.2014 – KEL)