Paläontologie

Älteste Fußabdrücke Europas entdeckt

Mehr als 800.000 Jahre überdauerten Fußabdrücke unserer Vorfahren an Englands Küste

Die 49 entdeckten Fußabdrücke zeigen gen Süden. © Simon Parfett/PLoS ONE/doi:10.1371/journal.pone.0088329

Die ältesten menschlichen Fußabdrücke Europas. Diesen wahrlichen Glücksfund haben Forscher des britischen Museums in Happisburgh gemacht. Eine Gruppe prähistorischer Menschen hat diese Spur vor über 800.000 Jahren für die Nachwelt an der Küste Englands hinterlassen, wie die Forscher in dem Journal „PloS ONE“ berichten. Die neuentdeckten Fußabdrücke sind damit sogar die drittältesten der Welt.

Vor hunderttausenden von Jahren waren die Landmassen Großbritanniens noch mit dem Rest Europas verbunden. Zu dieser Zeit grasten Elche, Bisons, Mammuts, Nilpferde und Nashorner in den Flussbetten der Küstenregionen Norfolks im Süosten Englands. Das Land hielt zahlreiche Nahrungsangebote auch für unsere Vorfahren bereit: Knollengewächse, Seetang, Krebstiere und das Fleisch grasender Herden mögen auf dem Speiseplan gestanden haben. Doch seit wann besiedelten die Menschen diesen Teil Europas und welche Wege nahmen sie? Diesen Fragen konnten sich Forscher aus Großbritannien dank eines Überraschungsfundes ein gutes Stück weit nähern.

Zur richtigen Zeit am richtigen Ort

Die Entdeckung war reiner Zufall: Die Forscher führten im Mai 2013 eine geophysikalische Untersuchung in Happisbourgh durch, als sie den erstaunlichen Fund machten. „Die Spuren zeigten sich just zu dem Zeitpunkt, als die Forscher dort waren „, so Simon Lewis von der Queen Mary University in London. „Zwei Wochen später schon hätte die Strömung sie ausgewaschen.“

„Zunächst waren wir uns nicht sicher, was wir da sahen,“ ergänzt sein Kollege Nick Ashton vom britischen Museum. „Aber als wir den verbliebenen Sand entfernt und das Meerwasser abgesaugt hatten, wurde uns klar, dass die Furchen Abdrücke sind und dass wir sie so schnell wie möglich erfassen mussten.“

Detailansicht der prähistorischen Fußspuren © Martin Bates/ PloS ONE / doi: 10.1371 /journal.pone.0088329.g005

Die ältesten Spuren unserer Vorfahren in Europa

Die Forscher standen nun zunächst vor einem Rätsel. Wie alt mögen diese Fußspuren wohl sein? Um das herauszufinden, datierten die Wissenschaftler die Sedimentschichten anhand von Fossilien und archäologischen Relikten, darunter Steinwerkzeugen und Tierknochen.

Es stellte sich heraus, dass der Ursprung der Spuren über 800.000 Jahre in der Vergangenheit liegt. Damit sind sie die ältesten Fußabdrücke unserer Vorfahren in Europa. Sie geben Hinweis auf die ersten bekannten Menschen in Europa. Weltweit gibt es überhaupt nur zwei ältere Funde: In Tansania wurden 3.5 Millionen und in Kenia 1.5 Millionen Jahre alte Funde gemacht.

Die Spuren mit Leben füllen

Doch was können uns die Fußabdrücke über ihre Verursacher verraten? Die Forscher nahmen sich dieser Frage mit der sogenannten Photogrammetrie an. Mit dieser Methode werden maßstabsgetreue Fotografien eines Objektes so zusammengefügt, dass seine dreidimensionale Form und Größe bestimmt werden kann. Letztendlich war es diese Methode, die den eindeutigen Beweis brachte: Die Spuren im Schlamm sind tatsächlich Fußabdrücke unserer Vorfahren.

Bis zu fünf Personen waren es demnach, die an der altertümlichen Flussmünden Richtung Süden unterwegs waren und insgesamt 49 Fußabdrücke hinterließen. Die Gruppe bestand aus Erwachsenen und Kindern. Die Menschen waren zwischen 0,93 und 1,73 Meter groß und hatten verhältnismäßig große Füße: Teilweise hätten sie mindetens Schuhgröße 42 benötigt, wie die Forscher berichten. Wer genau diese Frühmenschen waren, ist noch nicht eindeutig geklärt. Die Form und Größe der Füße spricht aber dafür, dass es sich um Homo antecessor gehandelt haben könnte. Dieser Menschentyp lebte vor etwa 500.000 bis 800.000 Jahren und wurde aufgrund von Knochenfunden im nördlichen Spanien klassifiziert.

Der so erlangte Blick in unsere Vergangenheit gibt ganz neue Einblicke in das Wanderungsverhalten prähistorischer Menschen vor hunderttausenden von Jahren. Zu einer Zeit, als die Landmasse Englands noch dem Rest Europas angeschlossen war. (PLoS ONE, 2014; doi: 10.1371/journal.pone.0088329)

(Queen Mary University of London, 10.02.2014 – KEL)

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