Es heißt Abschied nehmen von einem astronomischen Schwergewicht: Herschel, das größte Teleskop, das jemals im Weltraum geflogen ist, wird in den nächsten Wochen seine Mission beenden und aufs Altenteil geschickt – in eine Park-Umlaufbahn um die Sonne. Der Grund dafür: Das europäische Weltraumteleskop hat kein Helium mehr und damit kein Kühlmittel, um seine empfindlichen Optiken zu schützen. Die bis jetzt gelieferten Daten und Aufnahmen aber reichen auch so aus, um die Astronomen noch über Jahre zu beschäftigen.
Im Mai 2009 war das 7,50 Meter hohe und 3,4 Tonnen schwere Infrarot-Teleskop ins Weltall gestartet. Mit den Instrumenten PACS, HIFI und SPIRE sah das Teleskop mit seinem 3,50-Meter-Spiegel in verschiedenen Wellenlängen durch Staub- und Gaswolken hindurch – und damit auch Strukturen und Phänomene, die für optische Teleskope wie Hubble verborgen sind. Rund 1,5 Millionen Kilometer entfernt von der Erde blickte das Teleskop in ferne Galaxien und junge Planetensysteme. Über 22.000 Stunden Sternenbeobachtung, so schätzt die Europäische Weltraumorganisation ESA, ermöglichte das Infrarot-Teleskop insgesamt bis zu seinem Ruhestand.
Blick in den Kreißsaal der Sterne
Das bisher größte Teleskop, das jemals im Weltraum geflogen ist, spürt dafür die Infrarotstrahlung von Sternen, Galaxien und Nebeln auf und kann dabei selbst noch extrem schwache Wärmestrahlung erkennen. Aber auch Planeten, Asteroiden und Kometen in unserem Sonnensystem wurden durch Herschel beobachtet. Für Laien sehen die Aufnahmen von Herschel schlichtweg schön aus, für Wissenschaftler zeigten sie Abläufe im Weltall, die sie in dieser Qualität so noch nicht gesehen hatten: „Tausende Wissenschaftler haben von den Daten des Teleskops profitiert. Wir waren mit Herschel quasi im Kreißsaal bei der Geburt von Sternen dabei „, sagt Christian Gritzner vom Raumfahrtmanagement des Deutschen Zentrums für Luft- und Raumfahrt (DLR).
Der Astronom erinnert sich noch an das erste Bild, das „Herschel“ 2009 zur Erde sendete: „Das war ein erster Schnappschuss, noch ein wenig unscharf und auch eher unspektakulär – aber dennoch schon sehr gut.“ Sorgfältig kalibrierten die Ingenieure ihre Sternwarte im Weltraum, nahmen in verschiedenen Phasen den Betrieb auf und die wissenschaftliche Forschung konnte beginnen.
Ein fliegender Kühlschrank
Doch die Qualität hat auch einen Preis: Damit die empfindlichen Instrumente nicht durch die eigene Wärme in der wissenschaftlichen Arbeit gestört wurden, mussten die Ingenieure das Teleskop als fliegenden Kühlschrank konstruieren. 2.300 Liter flüssiges Helium kühlte die Sensoren kontinuierlich und brachte sie so auf die richtige Betriebstemperatur von etwa minus 271 Grad Celsius. Geht jetzt nach dreieinhalb Jahren wissenschaftlicher Sternenbeobachtung planmäßig der Helium-Vorrat zu Ende, werden innerhalb von Stunden die Temperaturen der Instrumente steigen und ihr Einsatz damit nicht mehr möglich sein.
Die ESA-Ingenieure vermuten, dass es jetzt jeden Moment so weit sein könnte. Genau wissen werden sie dies aber erst, wenn das Teleskop in einer seiner alle drei Stunden zur Erde gefunkten Statusmeldungen ihnen dies mitteilt. Von diesem Moment an beginnt „Herschel“ dann seinen Ruhestand. Das Teleskop wird zunächst noch weiter wie bisher mit der Bodenstation kommunizieren, zahlreiche technische Tests sollen noch durchgeführt werden. Dann, Anfang Mai, werden seine Borddüsen das Auge im All zu seiner letzten Ruhestätte befördern – einem stabilen Orbit um die Sonne.
Doch auch wenn „Herschel“ schon längst seine Bahnen um die Sonne zieht, ohne neue Daten zu liefern, werden die Wissenschaftler noch die wertvollen Datensätze der Mission auswerten. „Die Herschel-Daten werden uns noch für viele Jahre spannende Forschungsergebnisse bescheren“, sagt Göran Pilbratt, Herschel-Projektforscher der ESA. „Der Höhepunkt der wissenschaftlichen Produktivität liegt dabei sogar noch vor uns.“
(Deutsches Zentrum für Luft- und Raumfahrt (DLR), 06.03.2013 – NPO)