US-Forscher haben eine neue Waffe im Kampf gegen infizierte Harn- und Venenkatheter entwickelt: ein intelligentes Material, das selbstständig bemerkt, wenn es von Bakterien besiedelt wird und als Reaktion darauf eine antimikrobielle Substanz produziert. Es gebe zwar bereits Katheter, die mit einem Antibiotikum ausgerüstet sind, erläutert der Chemiker Dipankar Koley von der University of Michigan. Sie geben ihren Wirkstoff jedoch ständig ab, auch wenn überhaupt keine Notwendigkeit besteht, und verbrauchen ihn dadurch zu schnell. Das neue System bildet dagegen ausschließlich bei Bedarf das gewünschte Mittel und kann so viel länger im Körper verbleiben. Die aktuellen Prototypen schaffen es, ihre Oberfläche für etwa sieben Tage sauber zu halten. Spätere Versionen sollen jedoch noch deutlich langlebiger werden, berichtete Koley auf dem Jahrestreffen der American Chemical Society in Philadelphia.
Häufige Quelle von Infektionen
Für Katheter gibt es vor allem zwei Einsatzbereiche: Zum einen die Venen, wo sie platziert werden, um Patienten mit Medikamenten versorgen oder ihnen Blut abnehmen zu können, ohne ständig einen neuen Zugang legen zu müssen. Zum anderen die Harnblase, wo sie helfen, etwa nach einer Operation den Urin abzuleiten. Beide Varianten sind äußerst anfällig für Infektionen: Schätzungen zufolge kommt es bei etwa 15 Prozent der Blasenkatheter und bis zu 25 Prozent der Venenkatheter zu einer Besiedelung mit Bakterien. Im günstigsten Fall muss der Katheter lediglich ausgetauscht werden, im schlimmsten Fall entwickelt sich jedoch eine Sepsis, die nicht selten tödlich endet.
Um die Besiedelung zu verhindern, gibt es bereits eine ganze Reihe verschiedener Ansätze, etwa ein Einbau von Silberionen oder eines Antibiotikums in das Kathetermaterial. Da sich diese Ausrüstungen jedoch schnell verbrauchen, sind sie nur für kurzzeitige Katheterbehandlungen geeignet. Das neue System, an dem Koley und seine Kollegen arbeiten, soll dagegen auch für längere Therapien eingesetzt werden können. Es besitzt zwei Hauptmerkmale: Es bemerkt, wenn es mit Bakterien besiedelt wird, und es kann die Produktion eines antimikrobiellen Wirkstoffs nach Bedarf an- und ausschalten.
NO-Produktion bei Veränderung des pH-Werts
Die Sensorfunktion wird über eine pH-Wert-Messung vermittelt, berichtete Koley auf der Konferenz. Wenn sich Bakterien auf der Oberfläche eines Katheters zu einem der gefürchteten Biofilme zusammenlagern, ändert sich gleichzeitig das Säure-Base-Gleichgewicht in der direkten Umgebung des Materials. Das kann gemessen und in ein elektrochemisches Signal umgesetzt werden, erläuterte der Chemiker. Dieses Signal wird dann dazu genutzt, die Produktion von Stickstoffmonoxid (NO) auszulösen, einer Substanz, die im Körper eine ganze Reihe von Funktionen erfüllt – unter anderem hilft sie bei der Bakterienabwehr.
Bei den Prototypen der intelligenten Katheter, die Koley und sein Team bisher vor allem im Labor getestet haben, wird das NO elektrochemisch aus einer Lösung des Salzes Natriumnitrit mit Hilfe von Kupferelektroden erzeugt. Die Katheter besitzen dazu zwei Wände, zwischen denen die Salzlösung eingeschlossen ist. Das bei Anlegen eines Stroms entstehende NO kann durch die Wand ins Blut diffundieren und dort seine antimikrobiellen Eigenschaften entfalten, erläuterte Koley. Im jetzigen Stadium eignet sich das System allerdings noch nicht für den Einsatz im Körper, es müssen erst noch die Steuerung und einige Prozesse optimiert werden, ebenso wie die Langlebigkeit. Wann man tatsächlich mit einer Markteinführung der intelligenten Katheter rechnen kann, dazu haben sich die Forscher noch nicht geäußert.
(Dipankar Koley et al. / University of Michigan, 24.08.2012 – ILB)