Freiburger Forscher sind einen wichtigen Schritt bei der Entwicklung einer Schnittstelle zwischen Gehirn und Computer weitergekommen – eines Systems, das die Steuerung von Robotern oder anderen technischen Geräten durch Gedanken ermöglicht. Es gelang ihnen, die elektrische Aktivität während einer Armbewegung direkt von der Gehirnoberfläche abzulesen und sie unmittelbar für die Steuerung eines Mauszeigers zu verwenden. Zwar lässt sich der Cursor auf diese Weise bisher nur in zwei Richtungen verschieben. Die Studie zeigt jedoch, dass eine derartige Echtzeit-Steuerung prinzipiell machbar ist und zudem sehr viel kleinere Elektroden erfordert, als Forscher bislang angenommen hatten. Die Wissenschaftler um Tomislav Milekovic vom Bernstein Center der Universität Freiburg stellen ihre Arbeit im Fachmagazin „Journal of Neural Engineering“ vor.
Sogenannte Brain-Computer-Interfaces oder Hirn-Computer-Schnittstellen sind Geräte, die die elektrische Aktivität der Nervenzellen im Gehirn in Signale übersetzen, mit denen sich eine Maschine oder ein Rechnersystem steuern lässt. Sie sollen in Zukunft vor allem eingesetzt werden, um Menschen mit Querschnittlähmungen oder anderen Bewegungseinschränkungen den Alltag zu erleichtern sowie um Prothesen nach Amputationen zu steuern. In den bisher verfügbaren Systemen werden dazu in einem ersten Schritt die Hirnströme aufgezeichnet und analysiert. Ziel ist es, klar erkennbare Signale zu identifizieren, die sich gezielt beeinflussen lassen. Ist ein solches Signal gefunden, werden in einem zweiten Schritt entsprechende Elektroden entworfen und dem Patienten angepasst – ein Verfahren, das meist mehrere Monate dauert.
Steuerung in Echtzeit
Das Besondere an dem Freiburger System ist, dass diese beiden Schritte praktisch gleichzeitig stattfinden. Entwickelt wurde es mit Hilfe von fünf Epilepsie-Patienten, denen zur genauen Diagnose ihrer Erkrankung Elektrodenmatten direkt auf die Gehirnoberfläche aufgelegt worden waren. Sie stellten sich freiwillig für die Tests der Hirnforscher zur Verfügung, bei denen sie mit einem Joystick einen Cursor auf einem Bildschirm nach links und rechts bewegen sollten. Parallel zeichneten die Elektroden die Aktivität im Bewegungszentrum auf, und ein Computer identifizierte die für die Hand- und Armbewegungen entscheidenden Muster. Das System war so effizient, dass der Mauszeiger bereits in der direkt folgenden Testrunde nicht mehr durch die Handbewegung selbst, sondern durch die damit einhergehenden Hirnströme gesteuert wurde.
Für die Wissenschaftler überraschend war die geringe Größe des zuständigen Hirnareals: Lediglich zwei Quadratzentimeter reichten aus, um in durchschnittlich 75 Prozent der Versuche eine erfolgreiche Steuerung zu erzielen. Die Forscher gehen davon aus, dass sich die Erfolgsquote noch deutlich verbessern lässt, denn im Test wurden relativ große, weit auseinanderliegende Elektroden verwendet. Würde man stattdessen ein enges Netz kleiner Elektroden einsetzen, sollte die Steuerung sehr viel exakter und auch sehr viel flexibler werden, erläutern sie. Da die Elektroden zudem auf dem Gehirn aufliegen und nicht ins Hirngewebe eingepflanzt werden müssten, sei das Verletzungsrisiko sehr viel geringer als bei anderen Ansätzen. (doi:10.1088/1741-2560/9/4/046003)
(Journal of Neural Engineering, 21.06.2012 – ILE)