Seit drei Monaten befindet sich die MESSENGER-Sonde der NASA im Merkur-Orbit um die Rätsel um den sonnennächsten Planeten zu lösen. Bereits jetzt liegen erste erstaunliche Ergebnisse vor: So konnten die Astronomen anhand der neuen Daten und Bilder bestätigen, dass es auf dem Merkur tatsächlich Vulkanismus gibt. Sie haben aber auch enthüllt, dass sich die Zusammensetzung der Merkuroberfläche deutlich von der des Mondes unterscheidet. Und ihnen ist ein Blick in die Einschlagkrater am Merkur-Nordpol gelungen, in denen sich vielleicht sogar Wassereis befinden könnte.
Ein dichter Eisenkern, darüber ein relativ dünner Gesteinsmantel mit einer starren Kruste und ein ungewöhnliches Magnetfeld – der Merkur stellt die Wissenschaftler mit seinen Besonderheiten vor etliche Rätsel. Bereits bei drei Vorbeiflügen der MESSENGER-Sonde am Planeten konnten die Wissenschaftler der amerikanischen Weltraumbehörde NASA und des Deutschen Zentrums für Luft- und Raumfahrt (DLR) Daten aufzeichnen. Seit dem 18. März 2011 fliegt die amerikanische MESSENGER-Sonde mit sieben Instrumenten an Bord nun teilweise in nur noch 200 Kilometern Höhe über den Planeten und liefert seitdem kontinuierlich neue Daten aus nächster Nähe.
Flut an Bildern
„Die Datenmenge, die wir jeweils bei einem Vorbeiflug aufzeichneten, erhalten wir zurzeit zweimal täglich“, sagt Jörn Helbert vom DLR-Institut für Planetenforschung. Der Wissenschaftler arbeitet als einer von zwei Deutschen im amerikanischen MESSENGER-Team mit und wertet die Daten eines Spektrometers für ultraviolettes, sichtbares und infrarotes Licht – MASCS (Mercury Atmospheric and Surface Composition Spectrometer) – aus.
„Im Moment werden wir überflutet mit Bildern“, ergänzt Professor Jürgen Oberst vom DLR-Institut für Planetenforschung. Sein Team verarbeitet die Aufnahmen der Stereo-Kamera MDIS (Mercury Dual Imaging System) und die Daten eines Laser-Höhen-Altimeters zu einem 3D-Höhenmodell der Planetenoberfläche. „Im Orbit um den Merkur herum haben wir jetzt Zeit, die Kamera beliebig zu schwenken und auszurichten – das war bei den Vorbeiflügen bisher nicht möglich.“
Bestätigung für Vulkanismus auf dem Merkur
So zeigen die Aufnahmen der MDIS-Kamera nach Angaben der Forscher ausgedehnte, sehr ebene Flächen in der Nähe des Merkur-Nordpols. Bisherige Aufnahmen aus den Vorbeiflügen oder von vorherigen Missionen wie Mariner 10 in 1970ern konnten diese Gebiete nur aus ungünstigen Blickwinkeln zeigen.
Die aktuellen Aufnahmen aus der Umlaufbahn des Planeten hingegen bestätigen die vorherige Annahme, dass Vulkanismus bei der Formung der Planetenkruste eine wichtige Rolle spielte. Zum Teil – so die Rückschlüsse aus den neuen Aufnahmen – ist die Schicht vulkanischer Ablagerungen mehrere Kilometer dick. „Vulkanismus ist eines der großen Themen bei Merkur“, sagt Planetenforscher Helbert.
Für den Nachweis vulkanischen Materials werden in Zukunft vor allem die Daten des Spektrometers MASCS wichtig sein. Zurzeit arbeitet der DLR-Wissenschaftler in seinem weltweit einmaligen Hochtemperatur-Spektroskopie-Labor mit einer Reihe von Basalten, Feldspäten und schwefelhaltigen Mineralien, um deren Spektralwerte mit den Daten der MESSENGER-Mission zu vergleichen. Bei der Verarbeitung der Kamera- und Spektrometerdaten helfen die Erfahrungen der Vorbeiflüge – bereits in diesen Phasen testeten die DLR-Wissenschaftler die Verfahren.
Blick in die Einschlagkrater
Weitere Erkenntnisse lieferte das Laser-Höhen-Altimeter, das systematisch die Topografie der nördlichen Merkur-Hemisphäre kartierte. Nach mehr als zwei Millionen Beobachtungen liegen Form und Profil von geologischen Merkmalen nun in hoher Auflösung vor. Die Nordpol-Region des Planeten ist nach Angaben der Astronomen beispielsweise ein großes Gebiet mit nur niedrigen Erhebungen.
Eingesetzt wird das Laser-Höhen-Altimeter derzeit auch, um die Tiefe von Einschlagkratern am Nordpol zu messen. Schon vor 20 Jahren stellten Wissenschaftler die These auf, dass in diesen Kratern unter anderem Wassereis liegen könnte. Bisherige Daten des Altimeters bestätigen, dass die Tiefe der Krater durchaus dafür ausreicht, dass diese Bereiche im ständigen Schatten liegen könnten.
Unterschiede in der Mineralogie
Erste Ergebnisse lieferte den Forschern zufolge auch das Röntgenstrahlenspektrometer XRS (X-Ray Spectrometer), das erhebliche Mengen an Schwefel auf dem Merkur feststellte. Das Instrument zeigt, dass sich die Zusammensetzung der Merkuroberfläche deutlich von der des Mondes unterscheidet. „Dies überrascht uns nicht“, sagt Helbert, „unsere Auswertung der MASCS-Daten von den Vorbeiflügen haben bereits daraufhin gedeutet, dass der Merkur sich in der Mineralogie deutlich vom Mond unterscheidet“.
„Zum ersten Mal sammeln wir Daten für einen Überblick zum Beispiel über die Beschaffenheit des Merkurs“, sagt Sean Solomon von der Carnegie Institution in Washington und leitender Wissenschaftler der Mission. „Viele unserer früheren Ideen müssen wir mit den neuen Einsichten, die wir gewinnen, beiseitelegen. Wir können mit MESSENGER noch weitere Überraschungen erwarten, wenn der sonnennächste Planet unseres Sonnensystems seine Geheimnisse verrät.“ Bis März 2012 wird die Sonde noch um den Merkur kreisen und dabei Daten sammeln.
(Deutsches Zentrum für Luft- und Raumfahrt (DLR), 17.06.2011 – DLO)