Physik

Forscher erhalten Anti-Wasserstoff 16 Minuten lang

Lange haltbar und im Grundzustand - wichtiger Durchbruch für die Antimaterieforschung gelungen

Illustration der Antimaterie-Falle ALPHA © Wurtele Research Group

Zum ersten Mal haben Physiker Antiwasserstoff-Atome erzeugt und diese nicht nur über Sekundenbruchteile erhalten, sondern gleich rund 16 Minuten lang. Damit ist eine der wichtigsten Voraussetzungen für eine nähere Erforschung der Antimaterie erfüllt: genügend Zeit, um Experimente durchführen zu können. Die jetzt in „Nature Physics“ vorgestellte Errungenschaft ermöglicht es zudem erstmals, ein Antimaterieteilchen im Grundzustand zu halten, ebenfalls eine Voraussetzung für sinnvolle Forschungsergebnisse.

Das ALPHA-Experiment am CERN besteht im Kern aus einem supraleitenden achtteiligen Magneten, der als Atomfalle dient: In dieser Vakuum-Kammer werden Antiprotonen aus einem Beschleunigerring mit Positronen – den Antiteilchen der Elektronen – gemischt. Es entsteht neutraler Antiwasserstoff. Die winzigen magnetischen Momente, der Spin, dieser Antiteilchen sorgt dafür, dass sie im Inneren der Magneten in der Schwebe bleiben und nicht die aus Materie bestehenden Wände berühren. Denn dann löschen sich Materie und ihre korrespondierenden Antiteilchen gegenseitig aus und übrig bleibt nur Energie.

Modifizierte Nachweismethode verlängert „Gefangenschaft“

Genau diese Energie wurde bisher auch zum Nachweis der Antiteilchen genutzt: „Bisher war das Abschalten des Magneten die einzige Möglichkeit festzustellen, ob wir ein Antiatom eingefangen haben oder nicht“, erklärt Joel Fajans von der Universität von Kalifornien in Berkeley und Mitglied der ALPHA-Kollaboration. „Wenn das Antiatom die Wand der Falle trifft, löscht es sich aus und genau dies sagt uns, dass wir eines haben. Am Anfang haben wir daher unsere Falle immer so bald wie möglich nach jedem Antimaterie-Versuch abgeschaltet um ja keins zu verpassen.“

Jetzt jedoch haben die Forscher ihre Falle so modifiziert, dass sie die Präsenz von Antiwasserstoff über die Interaktion dieser Teilchen mit den Photonen von Licht oder Mikrowellen erkennen können. Damit lässt sich der Antiwasserstoff auch deutlich länger in der Magnetfalle halten – lang genug, um zukünftig erstmals Experimente und Messungen zu seinen Eigenschaften anstellen zu können. In den Versuchen gelang es bereits, bis zu drei Antiwasserstoff-Teilchen auf einmal für bis zu 1.000 Sekunden – dies entspricht rund 16 Minuten, gefangen zu halten.

Anti-Wasserstoff (oben) und Wasserstoff. In einem Anti-Wasserstoff umkreist ein Positron ein negativ geladenen Antiproton. © Wurtele Research Group

Voraussetzung für erste Experimente an Antimaterie jetzt erfüllt

„Tausend Sekunden ist mehr als genug Zeit, um Messungen an einem gefangenen Antiatom durchzuführen“, so Fajans. Der Kollaboration ist es beispielsweise bereits gelungen, erstmals die Energieverteilung eines solchen Antiwasserstoffs zu messen. „Das mag nicht sehr aufregend klingen, aber es ist das erste Experiment überhaupt, das an gefangenen Antiwasserstoff-Atomen durchgeführt wurde“, erklärt sein Kollege Jonathan Wurtele.

Mit der langen Lebensdauer erreichten die Forscher jedoch noch einen wichtigen Meilenstein: „Der vielleicht wichtigste Teil dieses Ergebnisses ist, dass diese Anti-Wasserstoffatome nach einer Sekunde den Grundzustand erreicht haben müssen“, so Fajans. „Damit sind dies höchstwahrscheinlich die ersten Antiatome im Grundzustand, die jemals hergestellt worden sind.“ Da nahezu alle Präzisionsmessungen zum Verhalten und den Eigenschaften von Materie diesen Grundzustand erfordern, öffnet das ALPHA-Experiment jetzt den Weg zu neuen Experimenten mit Antimaterie. Noch in diesem Jahr sollen Mikrowellenexperimente folgen, 2012 dann hoffen die Wissenschaftler auch Laserexperimente an eingefangenen Antiwasserstoff-Atomen durchführen zu können. (Nature Physics, 2011; DOI: 10.1038/nphys2025)

(DOE/Lawrence Berkeley National Laboratory/ University of California – Berkeley, 06.06.2011 – NPO)

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