Astronomen haben die überraschende Entdeckung eines supermassereichen Schwarzen Lochs in einer Zwerggalaxie gemacht. Normalerweise dürfte eine so kleine Galaxie noch ohne Zentralwulst kein so schweres Schwarzes Loch besitzen. Der jetzt in „Nature“ veröffentlichte Fund widerspricht daher geltenden Annahmen über die Beziehung Schwarzer Löcher zu „ihren“ Galaxien und wirft ein neues Licht auf die Prozesse im jungen Kosmos.
Extrem massereiche Schwarze Löcher sind im Zentrum nahezu aller großen Galaxien zu finden. Im nahen Universum – sozusagen unserer kosmischen Nachbarschaft – gibt es eine direkte, lineare Beziehung zwischen der Masse des zentralen Schwarzen Lochs und der des aufgewölbten Zentralbereichs solcher Galaxien. Deshalb gingen Astronomen bisher davon aus, dass sich beide gegenseitig in ihrem Wachstum beeinflussen. Vor zwei Jahren entdeckten Astronomen jedoch, dass dieses Verhältnis offenbar für junge Galaxien des frühen Universums nicht gilt: Ihre Schwarzen Löcher sind deutlich massereicher als erwartet.
Zwerggalaxie im Röntgenlicht
Einige Forscher postulieren deshalb, dass sich entgegen bisherigen Annahmen vielleicht die Galaxien erst nach den massereichen Schwarzen Löchern bilden könnten. Belege dafür gab es jedoch nicht. Jetzt jedoch haben Astronomen des National Radio Astronomy Observatory (NRAO) und der Universität von Virgina Beobachtungen gemacht, die genau diese Theorie stützen. Mit Hilfe der Radioteleskope des Very Large Array und dem Hubble Space Telescope beobachteten die Forscher die rund 30 Millionen Lichtjahre entfernte Zwerggalaxie Henize 2-10 Sie ist rund 3.000 Lichtjahre groß und besitzt keinen zentralen „Bulge“.
Die Daten enthüllten eine Region nahe dem Zentrum von Henize 2-10, die starke Radiowellen aussendet. Solche Signale gelten als typisch für Jets aus hochbeschleunigten Teilchen, die das Umfeld eines Schwarzen Lochs ausschleudert. Um das zu überprüfen, analysierten die Astronomen zusätzlich Aufnahmen des Röntgenobservatoriums Chandra. Das Ergebnis: Die Zentralregion der Zwerggalaxie gab auch im Röntgenlicht energiereiche Strahlung ab. Die Kombination von Radiosignal und Röntgenstrahlung ist nach Angaben der Astronomen ein deutlicher Hinweis darauf, dass sich im Zentrum der Zwerggalaxie ein massereiches Schwarzes Loch befinden muss.
Schwarzes Loch trotz fehlender Zentralwulst
„Jetzt haben wir eine Zwerggalaxie entdeckt, die überhaupt keinen Zentralwulst besitzt und trotzdem ein extrem massereiches Schwarzes Loch”, erklärt Amy Reines von der Universität von Virginia. Zwar sind bisher schon Schwarze Löcher ähnlicher Masse auch in anderen Galaxien beobachtet worden, doch diese Galaxien waren größer und besaßen alle eine eher regelmäßige Form. Henize 2-10 ist dagegen klein, irregulär geformt und zeichnet sich zudem durch eine extrem aktive Sternenbildung aus. Diese konzentriert sich in zahlreichen, sehr dichten Sternenclustern.
„Diese Galaxie gibt uns wichtige Hinweise über eine sehr frühe Phase der Galaxienevolution, die bisher nicht beobachtet worden ist“, so Raines. „Sie stärkt die These, dass sich die Schwarzen Löcher bilden, bevor der zentrale Wulst der Galaxie entsteht.“ Damit gibt diese Galaxie einen wichtigen Einblick nicht nur in die Wechselwirkungen von Schwarzen Löchern und ihren Muttergalaxien, sondern auch über die Bildung beider Phänomene.
(National Radio Astronomy Observatory, 11.01.2011 – NPO)