Geowissen

Eyjafjallajökull: Eruption war keine Überraschung

Ungewöhnliches Verhalten gibt Hinweise auf Vorgänge im Inneren eines „kalten“ Vulkans

Ausbruch des Eyjafjallajokull am 17. April 2010 © Eyjolfur Magnusson / University of Iceland

Der Ausbruch des Eyjafjallajökull im April 2010 kam nicht überraschend, sondern kündigte sich bereits Monate im Voraus an. Das zeigt die jetzt in „Nature“ erschienene Auswertung umfangreicher geophysikalischer Messungen. Sie enthüllt ein sehr ungewöhnliches Verhalten des isländischen Vulkans vor und während der Eruptionen. Dieses wiederum gibt wertvolle Hinweise darauf, welchen Einfluss eine lange Ruhephase auf das Magmaverhalten im Inneren eines Feuerbergs haben kann.

Als Mitte April 2010 der isländische Vulkan Eyjafjallajökull ausbrach, legte die gewaltige Aschenwolke der Eruption den Flugverkehr halb Europas für Tage lahm. Überraschend kam der Ausbruch allerdings nicht: Schon Monate vorher mehrten sich die Zeichen für eine wiederkehrende Aktivität des seit 200 Jahren ruhenden Feuerbergs. Allerdings verhielt sich der Eyjafjallajökull in gleich mehrerer Hinsicht ungewöhnlich, wie jetzt eine ausführliche Auswertung der geologischen Daten und Beobachtungen vor und während des Ausbruchs zeigt.

Wenn ein aktiver Vulkan ausbricht, schrumpft dabei normalerweise die Magmakammer in seinem Inneren recht schnell: Austretende Lava und Gase verringern den Druck, an der Oberfläche lässt sich dadurch per GPS-Sensoren eine Deformation des Untergrunds messen. Ob dies jedoch auch bei den lange Zeit ruhenden Vulkanen der Fall ist, ist unklar, denn theoretisch könnten die durch die Eruptionspause stark abgekühlten Gesteinsstrukturen im Vulkaninneren den Fluss des Magmas beeinflussen und verändern.

Monatelange Beobachtung schon vor der Eruption

Der Ausbruch des Eyjafjallajökull im April 2010 bietet nun die erste Chance, diese Frage zu klären. Denn der Feuerberg stand bereits seit Sommer 2009 unter strenger Beobachtung. Mittels GPS-Messungen an den Vulkanflanken und Satellitenaufnahmen registrierten und kartierten Forscher eines internationalen Teams unter Leitung von Freysteinn Sigmundsson von der Universität von Island in Reykjavik jede Regung des Vulkans, der etwas abseits der sich längst durch Island ziehenden Riftzone liegt.

Lava-Eruptionen zwischen dem 20 März und dem 12. April 2010 © Thorsteinn Jonsson / University of Iceland

Verräterische Hebung der Vulkanflanken

Die Messungen enthüllten, dass der Eyjafjallajökull bereits elf Wochen vor seinem ersten Ausbruch damit begann, sich auszudehnen – für die Forscher ein Hinweis, dass Magma aus der Tiefe in die flachen Kammern und Gänge des Vulkans eindrang und aufzusteigen begann. Als am 20. März 2010 erstmals Lava aus einem Spalt an der Flanke des Vulkans ausbrach, hatten sich die Hänge bereits um mehr als 15 Zentimeter gehoben.

Ungewöhnliches Verhalten bei erster Eruption

Überraschenderweise änderte sich dies während der gesamten Dauer der ersten Eruption nicht, die bis Mitte April anhielt. Während normalerweise die Flanken ausbrechender Vulkane rapide absinken, blieben die GPS-Werte für die Hänge des Eyjafjallajökull gleichbleibend hoch. Erst als sich am 22. April 2010 die Lava einen neuen Ausgang suchte und durch den Gletscher am Gipfel brach, begannen sich die Vulkanflanken deutlich zu senken. Zum Erstaunen der Vulkanologen geschah dies allerdings in einem deutlich anderen Muster und an anderen Stellen wie die vorhergehende Hebung.

Das Cover von Nature © Nature

Komplexes aber flaches System statt einer Magmenkammer

Nach Ansicht von Sigmundsson und seinen Kollegen ist dies ein Hinweis, dass das Magma im Inneren des Vulkans nicht nur in eine Magmenkammer einströmte und von dort aus aufstieg, sondern in einem sehr viel komplexeren System verteilt war. „Das spricht dagegen, dass alle Deformationsereignisse auf eine einzige Magmenkammer zurückgehen“, schreiben sie in „Nature“. „Die geodätisch ermittelte simsartige Form der Deflation während der Eruption deutet daraufhin, dass Magma aus einer ausgedehnten Quelle unter dem Gipfelgebiet abfloss, was eventuell die Flussrate limitierte und damit auch zur langen Dauer der Gipfeleruption beitrug.“

Die Studie deutet demnach darauf hin, dass bei einem lange ruhenden Vulkan wie dem Eyjafjallajökull die „Kälte“ der inneren Strukturen durchaus die Magmenbewegungungen im Untergrund beeinflussen und verändern können. Ob dies allerdings auch für weitere Vulkane ähnlichen geologischen Typs gilt, muss nun noch erforscht werden.

(Nature, 19.11.2010 – NPO)

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