Geowissen

Plattengrenze speit Treibhausgase

Neu entdeckter Mechanismus der Krustenbildung setzt CO2 und Methan frei

Topographischen Gestalt der Meeresböden am Guaymas-Becken im Golf von Kalifornien. © S. Adam Soule / Woods Hole Oceanographic Institution

Im Golf von Kalifornien haben Forscher erstmals eine völlig neue Form der Krustenbildung an einer Plattengrenze entdeckt: Statt nur entlang eines schmalen Streifens quillt hier heißes Magma extrem großflächig bis knapp unter die Oberfläche des Sediments. Wie die Wissenschaftler jetzt in „Nature Geoscience“ berichten, wird dabei die zehnfache Menge an Kohlendioxid und Methan freigesetzt. Welchen Einfluss dies auf den globalen Kohlenstoffhaushalt und das Klima hat, muss nun geklärt werden.

Der Golf von Kalifornien ist eines der jüngsten Meeresgebiete der Erde. Er entstand durch das Auseinanderdriften zweier tektonischer Platten an einer Plattengrenze, die längs durch den Golf verläuft. An solchen sich aufspreizenden Nahtstellen strömt Magma aus der Tiefe und bildet neue ozeanische Kruste. Normalerweise beschränkt sich diese aktive Zone dabei auf einen schmalen, maximal rund fünf Kilometer breiten Streifen beiderseits der Plattengrenze. Jetzt jedoch haben Wissenschaftler um Daniel Lizarralde von der Woods Hole Oceanographic Institution (WHOI) vor der Küste von Kalifornien eine völlig andere, extrem ungewöhnliche Art der Magmaausbreitung entdeckt.

Magma-Aufstrom noch in 50 Kilometern Entfernung

Am Guaymas-Becken im Golf von Kalifornien dringt Magma noch in 50 Kilometern Entfernung von der Plattengrenze aus dem Erdmantel in die darüber liegende Kruste ein. Das ist zehnfach weiter als erwartet. Dabei tritt sie zudem nicht komplett an die Oberfläche, sondern verteilt sich unterhalb der hier ein bis zwei Kilometer dicken Sedimentschicht. Untersuchungen mit Sidescan-Sonar, Unterwasserkameras und Schallwellenkanonen bestätigten, dass sich unter dem Sediment eine Art Magmaschwelle gebildet hat, die den Rücken hier als breiter Sims umlagert.

„An diesem Rücken ist etwas anders: Irgendwie ermöglicht er dem Magma, sich weiter auszubreiten”, erklärt S. Adam Soule, Mitglied des WHOI-Forscherteams. Während die meisten unterseeischen Vulkangebiete den Magmaaufstieg auf einen nur ein bis zwei Kilometer breiten Schlot kanalisieren, scheinen hier diese fokussierenden Mechanismen außer Kraft gesetzt. Offenbar dringt das Magma gleichzeitig an zahlreichen verteilten Punkten durch die Kruste bis unter die Sedimentschicht vor.

Kein Einzelfall

Nach Ansicht der Forscher handelt es sich dabei um eine völlig neue, bisher unbekannte Form der Krustenbildung. Doch obwohl sie so anders als an konventionellen Plattengrenzen verläuft, sind sich die Forscher sicher, dass das Guaymas-Becken keineswegs ein Einzelfall ist. Es gebe viele Stellen, darunter auch das Rote Meer, mit Eigenschaften sehr ähnlich denen dieser schmalen Meerenge zwischen der Baja-Halbinsel und dem nordamerikanischen Festland.

Der verdeckte Aufstrom von Magma macht sich an der Oberfläche des Meeresbodensediments durch zahlreiche hydrothermale Schlote bemerkbar: Löcher, aus denen heiße, mineral- und nährstoffreiche Flüssigkeit aufquillt. Um diese Schlote herum hat sich daher eine ganze Gemeinschaft von Meeresorganismen gebildet, die der an ähnlichen Schloten entlang der mittelozeanischen Rücken gleichen. So identifizierten Biologen verschiedene Röhrenwurmgemeinschaften und Bakterienmatten, die sich durch sehr hohe biologische Produktivität auszeichneten.

Erhitztes Sediment als Kohlenstoffquelle

Und noch etwas entdeckten die Forscher: Der großflächige Magmaausfluss setzt große Mengen an Kohlenstoff aus dem Sediment frei. Bis zu der zehnfachen Menge an Kohlendioxid und Methan wie bei einem vergleichbar großen Volumen „normalen“ vulkanischen Gesteins maßen die Forscher an den Magmaschwellen. Noch ist allerdings nicht klar, wie viel von diesen Treibhausgasen im Sediment und Wasser bleibt und welche Mengen in die Atmosphäre freigesetzt werden. Die Wissenschaftler um Lizarralde wollen daher so bald wie möglich in den Golf von Kalifornien zurückkehren und das Gebiet mit weiteren Instrumenten untersuchen, die ein genaueres Bild des Kohlenstoffausstoßes an der Grenzschicht zwischen Sediment und Ozean liefern.

Beitrag zum globalen Kohlenstoff-Budget noch unklar

„Hiermit beginnen wir, den Beitrag der Meeresboden-Spreizung zum globalen Kohlenstoff-Budget zu erfassen“, erklärt David Goldberg vom Lamont Doherty Earth Observatory in einem begleitenden „News und Views“-Artikel in der „Nature Geology“. „Solche aus intrusivem Vulkanismus entstandene Schwellen in Sedimentbecken sind schon in der Vergangenheit mit gewaltigen Methanausstößen in Verbindung gebracht worden. Noch ist weitere Forschung nötig, um die biologische Absorption durch hydrothermale Schlote einzuschätzen, aber was wir jetzt wissen ist, das Schwellen wie die jetzt im Golf von Kalifornien beobachtete, beim Abkühlen Kohlenstoffquellen zu sein scheinen.“

(Woods Hole Oceanographic Institution, 17.11.2010 – NPO)

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