Die Verschränkung von mehreren Quantenobjekten kann einer neuen Studie zufolge erstaunlich vielfältige Formen annehmen. Innsbrucker Physiker haben an vier miteinander verschränkten Ionen die Dynamik dieses Phänomens bis ins Detail untersucht. Die jetzt in der Fachzeitschrift „Nature Physics“ veröffentlichten Ergebnisse liefern grundlegende Erkenntnisse darüber, wie die Quantenphysik vieler Teilchen zu verstehen ist.
Dies ist laut den Forschern für die weitere Entwicklung des Quantencomputers, aber auch für das Verständnis des quantenphysikalischen Verhaltens vieler Teilchen wichtig.
Quantenwelt mit faszinierenden Eigenschaften
Verschränkung gehört zu jenen faszinierenden Eigenschaften der Quantenwelt, die für das Alltagsverständnis nur schwer greifbar sind. Nach den Gesetzen der Quantenmechanik bilden zwei oder mehrere verschränkte Teilchen ein physikalisches Gesamtsystem, das nicht allein aus den Zuständen der einzelnen Teilchen erklärt werden kann. Dies hat zum Beispiel zur Folge, dass verschränkte Quantenobjekte auch über sehr große Distanzen miteinander verbunden bleiben. Schon Albert Einstein hat dies als „spukhafte Fernwirkung“ bezeichnet.
Die Quantenphysik macht sich diese Eigenschaft zunutze, um zum Beispiel Konzepte für die Quanteninformationsverarbeitung zu entwickeln. Denn gerade die Verschränkung vieler sich überlagernder Zustände wird es wahrscheinlich zukünftigen Quantencomputern erlauben, bestimmte hochkomplexe Rechenaufgaben sehr einfach und rasch zu lösen.
Auf dem Weg zum Quantencomputer
Das Team um Professor Rainer Blatt und Julio Barreiro vom Institut für Experimentalphysik der Universität Innsbruck arbeitet seit Jahren sehr erfolgreich an der Realisierung eines Quantencomputers. Physiker der Forschungsgruppe haben nun die Eigenschaften der Verschränkung in einem System aus mehreren Teilchen näher untersucht. Dazu verschränkten die Physiker in einer Vakuumkammer vier Ionen miteinander und studierten die Veränderung der Verschränkung während sie den störenden Einfluss der Umgebung verstärkten.
„Dadurch verändert sich die Art der Verschränkung zwischen den Teilchen, und wir konnten eine ganze Reihe von sehr interessanten Zuständen beobachten“, sagt Barreiro, der Erstautor der Studie. „Es zeigte sich, dass die Verschränkung von mehreren Teilchen eine sehr vielfältige Dynamik aufweisen kann.“
Wichtige neue Ergebnisse
Die Ergebnisse gehen weit über das hinaus, was bisher durch Untersuchungen an zwei verschränkten Teilchen bekannt war und bilden eine wichtige Grundlage für das Verständnis des quantenphysikalischen Verhaltens vieler Teilchen, wie sie etwa auch in einem Quantencomputer zusammenwirken. Darüber hinaus geben sie nach Angaben der Physiker Aufschluss über das Verständnis davon, wie die Quantenwelt bei zunehmender Beobachtung in unsere klassische Alltagswelt übergeht.
Im Rahmen des Experiments haben die Innsbrucker Wissenschaftler auch neue theoretische Werkzeuge für die Beschreibung von verschränkten Zuständen und neue experimentelle Techniken für die Kontrolle der Teilchen und ihrer Umgebung entwickelt.
(idw – Universität Innsbruck, 28.09.2010 – DLO)