Entgegen bisherigen Annahmen könnten die Maya bereits das Prinzip von Druckleitungen für die Wasserversorgung gekannt haben. Darauf deutet ein jetzt in der Mayastadt Palenque untersuchtes Aquädukt hin. Die Leitung erzeugte immerhin genügend Druck um Wasser auf sechs Meter Höhe zu heben. Wozu dies diente, ist allerdings noch unbekannt, wie amerikanische Forscher im „Journal of Archaeological Science” berichten.
Die Mayastadt Palenque im mexikanischen Chiapas gelegen, erlebte ihre Blütezeit zwischen 250 und 600 nach Christus, in der klassischen Periode der Mayakultur. Heute sind von ihren Tempeln, Straßen und Palästen erst rund fünf Prozent freigelegt, der Rest ist noch unter der dichten Vegetation des Regenwalds verborgen. Bekannt ist aber schon, dass die Maya in Palenque ein System von unterirdischen Wasserleitungen wie Aquädukten errichteten und einsetzten. Sie dienten zum einen der Entwässerung und Gewinnung von Bauland, da die Maya ihre Stadt in einem von Bergen eng umgrenzten Gebiet anlegten, das kaum Ausbreitungsmöglichkeiten bot.
Aquädukte und Bachumleitungen
Auf dem von zahlreichen Bächen durchflossenen Hochplateau schufen die Bewohner daher Terrassen, leiteten die Wasserläufe um und führten sie beispielsweise in unterirdischen Leitungen unter Plätzen hindurch. Diese Aquädukte verschafften ihnen nicht nur mehr Raum für ihre Bebauung, sie schützten auch vor Überschwemmungen während der Regenzeit, bei der die Bäche regelmäßig über die Ufer traten.
Eines der Aquädukte der Stadt, das Piedras Bolas Aqueduct, war schon bei der Entdeckung im Jahr 1999 durch seine ungewöhnlichen Eigenschaften aufgefallen. Ein Team von Archäologen und Hydrologen hat nun diese von einer Quelle gespeiste unterirdische Leitung genauer untersucht. Das Aquädukt verläuft an einem Hang mit starker Neigung. Zwischen dem Beginn des Tunnels und seinem 60 Meter hangabwärts gelegenen Ende liegen sechs Höhenmeter.
Sechs Meter Wassersäule
Das Interessante an dieser heute teilweise eingebrochenen Leitung ist jedoch der Tunnelquerschnitt, wie die Forscher feststellten: Er verjüngt sich von einer drei Quadratmeter großen Öffnung Richtung Ende zu einem nur noch kleinen Auslass. Die von Schwerkraftwirkung und Verengung des Querschnitts bewirkte Drucksteigerung in der Leitung reicht aus, um das Wasser am Auslass auf sechs Meter Höhe steigen zu lassen, wie die Forscher mit Hilfe von hydraulischen Modellen kalkulierten.
„Bisher dachte man, dass Wasserdrucksysteme erst mit der Ankunft der Spanier in die Neue Welt gelangt waren“, erklären die Forscher. „Aber archäologische Daten, geomorphologische Befunde, die saisonalen Klimabedingungen und simple Hydrauliktheorie zeigen jetzt, dass die Maya von Palenque bereits vor Ankunft der Europäer praktische Kenntnisse über geschlossene Druckleitungen besaßen.“
Springbrunnen oder Gebäudeversorgung
Wofür die Maya diese Druckleitungen nutzten, ist noch unbekannt. Denkbar wäre eine Versorgung von angrenzenden höheren Gebäuden mit Trinkwasser oder zu Reinigungszwecken. Ein weiterer möglicher Nutzen für den künstlich erzeugten Wasserdruck wäre auch eine Art Springbrunnen. Die Wissenschaftler modellierten das Aquädukt mit einem solchen am Ende und stellten fest, dass diese Konstruktion selbst unter den Bedingungen von Trockenheit oder Überschwemmung funktioniert hätte.
„Die Erfahrung, die die Maya in Palenque bei der Konstruktion von Aquädukten zur Umleitung von Wasser für die Gewinnung von Stadtraum und als Hochwasserschutz gewannen, könnte auch zur Entwicklung von nutzbaren Druckleitungen geführt haben“, erklärt Kirk French, Archäologe und Anthropologe der Penn State Universität.
(Penn State, 06.05.2010 – NPO)